Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
hatte nicht geglaubt, jemals fündig zu werden. Das war
er nach wie vor nicht. Fündig geworden. Auch Miri oder eine ihrer Freundinnen
nicht. Er kickte einen Stein vor sich her. Bald musste er zum Hof zurückkehren.
Viel weiter als bis zur zweiten Kurve der Schotterstraße, die nach Beringen
hinunter und im Endeffekt nach Schaffhausen führte, kam er nicht. Schon jetzt
zogen und zerrten unsichtbare Kräfte an seinen Kleidern, seiner Haut und den
Haaren. Er war an diesen Ort, an dem ihn jeder Stein und jeder alte Baum an
seine Lotti erinnerte, gebunden. Adrian seufzte. So mit sich selbst
beschäftigt, verpasste er beinahe den dunkel gekleideten Fremden, der sein Auto
hinter einer Reihe junger Haselnussstauden geparkt hatte. Er runzelte die
Stirn. Weshalb machte dieser Mann das? Zu den benachbarten Höfen gehörte er
definitiv nicht. Offizieller Besuch würde wahrscheinlich auch bis vor die Tür
fahren und nicht das Auto im Unterholz... was eigentlich? Verstecken? Aber
weshalb denn? Er warf dem Mann nochmals einen prüfenden Blick zu. Ein Jäger
oder Forstamtmitarbeiter war er auf keinen Fall. Trotzdem, er schien ein Ziel
zu haben. Adrian beschloss, ihm zu folgen.
Gehetzt
sah der Mann sich um. Ohne Adrian zu entdecken, der inzwischen ganz offen neben
ihm herging. Der Fremde befand sich geistig so in seiner eigenen Welt, das kein
Platz war für zusätzliche Wahrnehmungen. Ständig murmelte er etwas vor sich
hin. Finster blickte er auf die Straße, die sich vor ihm den Berg hinaufwand.
„Wenn
diese Hexe nicht so heimtückisch wäre, hätte ich nicht so weit weg parken
müssen“, murmelte er beinahe lautlos.
Adrian
hörte ihn dennoch. Wie alle seine Sinne war auch sein Gehör um vieles besser,
seit er als Geist unterwegs war. Hexe? dachte er irritiert. Hatte Miri etwa
ihre Drohung war gemacht und Kajas Großmutter eingeladen? Ein Anflug von Panik
überfiel ihn. Sie wollte ihm doch helfen. Das hatte sie erst heute bestätigt,
oder nicht? Hektisch versuchte er sich die Diskussion vom heutigen Morgen in
Erinnerung zu rufen. Deshalb verpasste er beinahe, wie das Verhalten des Mannes
immer seltsamer wurde. Er begutachtete erst das Pächterhäuschen, dann das
Hauptgebäude mit der angebauten Scheune. Immer aus dem Schatten eines Baumes
heraus. Adrian stutzte. Als ehemaliger Gauner erkannte er genau, wenn jemand
etwas im Schilde führte. Und im Schilde führten fremde Menschen selten etwas
Gutes. Am Ende war es der Anblick von Miris Auto, das seine Miene kurz
aufleuchten ließen. Nicht aufleuchten im Sinne von Freude oder Erleichterung.
Vielmehr funkelten seine Augen manisch, bevor sie wieder ihren leblosen dunklen
Ausdruck annahmen.
„Ich
habe sie tatsächlich gefunden, die Schlampe.“
Von wem,
um Himmelswillen, sprach dieser Mann? Adrian beschloss, es sei an der Zeit
einzugreifen. Flink stellte er sich ihm in den Weg, als dieser mit gezücktem
Messer (wo kam das denn plötzlich her?) auf Miris Auto zustürzte. Prompt flog
er auf die Nase. Benommen blieb der Bösewicht einen Moment liegen.
Mit
beinahe wissenschaftlichem Interesse betrachtete Adrian den Mann. Was wollte er
denn mit Miris Auto? War sie etwa die – er schluckte das S-Wort hinunter. Miri
war definitiv eine Dame. Und soweit er wusste, seine Freundin. Niemand sprach
so von seinen Freunden. Adrian bündelte seine Energie, die in der Nähe des
Hauses zum Glück wieder stärker wurde.
Er
beugte sich zu dem Mann hinunter, der Anstalten machte, aufzustehen und
flüsterte ihm ins Ohr: „Verschwinde von hier, du bist hier nicht willkommen.
Die Geister werden dich sonst mit Haut und Haar fressen .“
Das
letzte Wort kreischte er und blies ihm seinen feuchtkalten Atem ins Ohr. Der
Fremde erbleichte sichtlich, rappelte sich hoch und nahm die Beine in die Hand.
Adrian kicherte, als er ihn um die Kurve stolpern sah, kurz bevor er aus seinem
Gesichtsfeld verschwand. Dann wurde er wieder ernst. Besser, er folgte dem Mann
mit den schändlichen Absichten und stellte sicher, dass er die Gegend auch
wirklich verließ.
Kurze
Zeit späte kam er zufrieden den Hügel wieder hoch. Der potentielle Attentäter
oder was auch immer dieser Fremde gewesen sein mochte, hatte sich hastig in
sein Auto gesetzt, die Hälfte der Haselnusssträucher umgefahren und war so
schnell davongefahren, dass das Kies in alle Richtungen geflogen war. Jetzt
stellte sich nur die Frage, was das alles zu bedeuten hatte. Und ob er
irgendjemandem davon erzählen sollte. Andererseits war er sich ziemlich
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