Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
sein? Nein, sie
irrte sich bestimmt. Das wäre auch ein zu großer Zufall! Überhaupt kannte sie
ihn gar nicht so gut, um auf diese Distanz beurteilen zu können, ob er es war,
denn er hatte bei der letzten Begegnung nicht sehr lang Kleider angehabt. Zudem
war er verkleidet gewesen. Ihr ohnehin schon heftig klopfendes Herz legte
nochmals einen Zahn zu.
„Aber
wenn er es doch ist?“, beharrte ihr Unterbewusstsein.
Sie
nahm all ihren Mut zusammen und begann zu rennen. Vorbei an dem Käsehändler und
dem Blumenverkäufer, einem Stand mit Shirts von Rock Bands und Silberschmuck,
dem Marktschreier mit der Gemüseraffel, bis sie endlich um die Ecke biegen
konnte und wieder freie Sicht hatte. Am Rande des Marktes erspähte sie gerade
noch den Haarschopf des Mannes. Sie lief ihm nach oder versuchte es zumindest.
Leider hatte sich eine Horde jugendlicher Fußballfans ausgerechnet diesen
Moment ausgesucht, um einen ihrer Kollegen hochleben zu lassen. Bis sie sich
unter vielen „Entschuldigung, kann ich mal durch“, „Hau mal ab, du Blödmann“
und dem freizügigen Einsatz ihrer Ellenbogen endlich durchgekämpft hatte, war
der Fremde in der Menge natürlich unauffindbar. Außer Atem und auch sonst
völlig durch den Wind blieb sie stehen. Scheißasthma, dachte sie und fischte den
Inhalator aus der Tasche.
Sie
erschrak fürchterlich, als Maxi sie plötzlich von hinten Ansprach und ihr einen
Lángos reichte.
„Hast
du mich jetzt erschreckt!“
„Hier,
dein Frühstück.“
Als
Miri nicht sofort reagierte, musterte der Drache sie genauer. „Was ist denn mit
dir passiert? Ist alles in Ordnung? Komm. Da drüben auf der Bank unter dem
Kastanienbaum können wir uns hinsetzen.“
„Ich
habe ihn gesehen“, stieß Miri zusammenhangslos hervor, sobald sie sich gesetzt
hatten.
„Gesehen?
Wen?“
„Matt.“
„ Der Matt? Bist du sicher?“
„Was
heißt schon sicher? Wenn ich es mir noch länger überlege, bin ich mir überhaupt
nicht sicher. Aber in diesem ersten Moment hat es sich richtig angefühlt.
Deshalb bin ich überhaupt losgerannt wie ein kopfloses Huhn.“ Ungläubig schüttelte
sie den Kopf. Trübselig setzte sie hinzu: „Das war wahrscheinlich die einzige
Chance, ihn jemals zu finden. Und ich verbocke es natürlich. Wieder einmal. War
ja klar.“
„He,
he. Sei doch nicht gleich so hart mit dir. Jetzt iss erst einmal.“ Demonstrativ
hielt Maxi ihr den Lángos unter die Nase.
Zweifelnd
betrachtete Miri die Brotspezialität, die so groß wie das Rad eines
Kinderfahrrads war.
„Probieren
geht über studieren, hast du mir mal beigebracht“, drängte sie der Drache
freundlich, aber bestimmt.
Kurzentschlossen
biss Miri in die immer noch warme Köstlichkeit. Es war sehr lecker. Die
Tageszeit spielte offenbar keine Rolle. In Gedanken völlig mit sich und ihrem
gescheiterten Kontaktversuch mit dem Mann beschäftigt, der vielleicht, aber
vielleicht auch nicht, Matt gewesen sein könnte, verspeiste sie die Hälfte des
Lángos in Windeseile. Ohne eine Pause zu machen, murmelte sie mit vollem Mund:
„Danke. Essen tut tatsächlich gut.“
„Ähem“,
räusperte sich Maxi, „erinnerst du dich, vor ein paar Jahren hatten wir schon
mal die Diskussion bezüglich kauen, schlucken, dann erst reden…“
„Entspann
dich“, gab Miri zurück. Diesmal allerdings wohlweislich nicht mehr mit vollem
Mund. „Spar dir diese klugen Sätze für das potentielle Drachenkind auf. Das,
falls es die Chance bekommt, die Welt unsicher zu machen, sicher dankbarer
Abnehmer sein wird.“ Sie formulierte ihre Sätze absichtlich vorsichtig. Noch
war nichts entschieden. Vor allem, weil es aufwachsen würde, ohne seinen Vater
zu kennen. Nur weil seine Mutter zu blöd war, einen Zettel einzustecken und zu
langsam, den Vielleicht-Papa zu fangen. Sie war ein totaler Hauptgewinn als
Mutter, stellte sie selbstironisch fest.
„Ha,
wer’s glaubt. Man sieht ja, wie gut das bei dir gefruchtet hat!“, rief Maxi
aus. Als Miri nicht auf ihre Sticheleien reagierte, warf sie einen Blick auf
ihren Schützling und fragte nach: „Bist du schon wieder dabei, dich selber
fertig zu machen?“
Miri
zuckte nur mit den Schultern und aß weiter.
„Betrachte
es doch als Schnitzeljagd. Folge einfach den Hinweisen.“
„Welchen
Hinweisen denn?“ Verständnislos schaute sie Maxi an. Mit einem Drachen in
Begleitung kam man sich manchmal schon vor wie aus Versehen im
Paralleluniversum gelandet. „Was sollte es denn für Hinweise geben? Du hast
wohl zu
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