Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
halben Stunde drüben im Haus?“
„Ist
gut. Mehr will ich unserer Kleinen – oder soll ich sagen den beiden Kleinen? –
nicht zumuten.“
„Ich
glaube nicht, dass das zweite Kleine schon eine Meinung hat.“
„Sei
dir da nicht zu sicher, es ist immerhin ein Drachenkind“, scherzte Sierra.
„Du
hast gut reden. Weißt du was, sollten sich deine Worte bewahrheiten, schicke
ich sie einfach zu dir in einen Erziehungsurlaub. Immerhin wirst du Patentante.“
„Darüber
reden wir dann noch. Lass uns anfangen.“
Die
beiden setzten sich hin und Sierra fing an, Miri die Grundregeln der
Selbstverteidigung zu erklären und zu demonstrieren. Miri hörte aufmerksam zu.
Einiges davon wusste sie schon. Anderes wiederum war neu. Sie sog alles auf wie
ein Schwamm und merkte dabei, wie sehr ihr die Hilflosigkeit, die sie am
vergangenen Tage gespürt hatte, zu schaffen machte.
„Bei
einem Mann kannst du die Bauchregion gleich vergessen“, erklärte Sierra gerade.
„Entweder haben sie Muskeln oder einen Bierbauch. So oder so, sie werden nicht
viel spüren, egal wie viel Kraft du auch in einen Schlag legst.“ Sie begann
vielversprechendere Regionen aufzuzählen. „Augen. Hals.“
Miri
spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken aufstellten und sich das
inzwischen schon vertraute Kribbeln dazu gesellte. Etwas spät fiel ihr ein,
dass Sierra noch gar nichts von den jüngsten Ereignissen wusste.
„Eier“,
mischte sich eine tiefe Stimme ein.
Erschrocken
wirbelte Sierra herum. Adrian schlenderte lässig im Atelier umher und beäugte
interessiert Kajas Vorräte an Kräutern und Kerzen. „Jetzt gibt’s hier
tatsächlich auch noch einen Geist? Als wenn wir nicht schon genug Trubel mit
den Drachen hätten.“
Miri
musste schmunzeln.
„Ist
doch wahr, oder etwa nicht.“
„Doch,
doch. Ich finde es nur spannend, dass deine Reaktion auf den Geist exakt deiner
Reaktion auf den Drachen entspricht. Weißt du noch, als wir uns zum ersten Mal
getroffen hatten?“
„Ja,
und?“ Sierra verstand nicht ganz, was daran so besonders sein sollte.
„Kajas
Reaktion auf den Geist ist auch ähnlich zu ihrer ersten Reaktion auf Lance. Im
Moment zieht sie es vor, die Tatsache eines hier wohnhaften Hausgeistes zu
ignorieren.“
Jetzt
musste auch Sierra grinsen.
„Geht
der Unterricht nicht weiter? Oder hat euch meine unverblümte Aussprache
schockiert?“ Adrian war unbemerkt zu ihnen geschlendert und flüsterte Sierra
über die Schulter ins Ohr. Anstatt ein zweites Mal zu erschrecken, wie Adrian
es eigentlich geplant hatte, wedelte sie nur mit der Hand, als wollte sie eine
lästige Fliege verscheuchen. „He. Ein bisschen mehr Respekt, junge Dame.“
Sierra
linste über die Schulter und musterte ihn mit abschätzigem Blick. „Das gilt
wohl eher umgekehrt. Ein bisschen Abstand, wenn ich bitten darf. Und du bist
wer?“
Verblüfft
von der klaren Ansage, trat er einen Schritt zurück. Aber er fasste sich
schnell wieder. Mit einer fließenden Geste strich er sich seine Haarlocke aus
der Stirn. Ein schelmisches Funkeln trat in seine Augen. „Verzeihen Sie mir
bitte, Madame. Ich konnte nicht widerstehen. Leute zu erschrecken ist als
Gespenst sozusagen Pflicht. Bis vor kurzem hatte ich sehr selten Gelegenheit
dazu, da der Hof lange leer stand. Stets zu Diensten, Adrian mein Name.“
„Hm.“
Obwohl sie insgeheim zugeben musste, dass der Geist sehr charmant war, wollte
sie ihn noch ein wenig zappeln lassen. „Ich bin Sierra. Meinen Eltern gehört
der Hof. Es erstaunt mich, dass sie dich nie erwähnt haben.“
„Ach…“
Mehr sagte er nicht, sondern begann wieder, im Zimmer umher zu wandern. Die
beiden Frauen sahen sich ratlos an.
Schließlich
zuckte Sierra mit den Schultern und meinte: „Lass uns weitermachen. Es gibt
gleich Mittagessen. Also, wie unser Besucher hilfreich erwähnt hat, ist ein
gezielter Tritt zwischen die Beine meistens sehr effektiv. Dann gibt es noch
die Knie und die Füße als angreifbare Stellen.“ Mit ein paar einfachen
Befreiungstechniken setzte sie den Unterricht fort.
Der
Geist hatte seine Wanderung durch das Atelier beendet und sich in ihrer Nähe im
Schneidersitz auf den Boden gesetzt. Ab und zu feuerte er Miri an, wenn sie
dabei war, Sierras Anweisungen umzusetzen oder gab seine eigenen Weisheiten
dazu.
Irgendwann
hatte diese genug davon. „Was mischst du dich denn ständig ein? Hast du
irgendwelche Qualifikationen?“
„Ich
war Boxchampion in meiner Jugend.“ Während er auf der Stelle
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