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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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geht nicht um diesen Krieg oder vielleicht doch - aber deshalb bin ich nicht gekommen.« Sie wandte sich noch einmal zu ihm um, sah ihn an. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass dein Schicksal sich in einem anderen Kampf erfüllen wird, nicht zwischen zwei Ländern - sondern zwischen zwei Völkern. Und ich bin gekommen, um …« Sie schien einen Augenblick mit sich selbst zu hadern, dann stieg sie vorsichtig auf die Zehenspitzen und umarmte Revyn. Verdutzt, wie er war, konnte er die Umarmung nicht erwidern. Sie dauerte nur einen Augenblick, ein kurzes Drücken, ein kurzes Atmen an Revyns Nacken - er roch den Veilchenduft ihrer Haare -, dann trat Ardhes zurück und holte tief Luft. »Ich bin auch gekommen, weil du wissen sollst, dass ich dich besser kenne, als du wahrscheinlich weißt. Und weil ich glaube, dass sich manche Menschen, einsame Menschen, selbst ein Loch graben und hineinspringen und denken, dass sie schon immer dort drinnen gewesen sind. Obwohl es dunkel in dir ist, Revyn, und obwohl deine Vergangenheit einen großen Schatten auf dich wirft, kann ich dich sehen. Ich sehe einen Menschen, der sich vor sich selbst verbirgt. Wenn du irgendwann aufblickst, dann wirst du sehen, dass ich dir eine Hand hinhalte.« Sie ging ein paar Schritte, dann blieb sie abermals stehen. »In der Schlacht wirst du übrigens nicht sterben.«
    Wortlos blickte Revyn dem davonlaufenden Mädchen nach, bis die Nacht sie verschluckte.

Die Kleine Göttin

Jenseits der Wälder
    Der Weg des Heeres führte durch eine kilometerlange Klamm, gesäumt von steil aufragenden Felsen. Jeden Augenblick drohte sich Geröll zu lösen und die Krieger unten zu erschlagen. Der Pass, der sich durch die Berglandschaften zwischen Haradon und Myrdhan schlängelte, war gerade so breit, dass zwei Karren nebeneinander fahren konnten. Das bedeutete für Logonds Heer, dass es sich im Tempo einer gigantischen Schnecke vorwärtsbewegte.
    Revyn hatte wie die restlichen Drachenkrieger Glück - sie durften an der Spitze des Zuges reiten, noch vor der Artillerie mit ihren Pferden, und mussten sich auch nicht mit zerschundenen Füßen herumplagen: Auf einem Drachen zu sitzen, war recht bequem.
    Trotzdem seufzte Revyn müde. In den letzten vier Nächten hatte er kein Auge zugetan, aber nicht weil er wie die anderen am Lagerfeuer gefeiert hatte. Seit sie aufgebrochen waren, fand er keine Ruhe. Meistens stand er schon vor der Dämmerung auf, packte seine Sachen und zog die Rüstung an.
    Seine Rüstung … wie ungewohnt sie war! Sie bestand aus einem schlichten Brust- und Rückenpanzer, Arm- und Beinschienen und Schulterschützern, die ihn irgendwie an Käferflügel erinnerten. Dazu trug er den Helm eines Drachenkriegers, der mit den einfachen Kappen der gewöhnlichen Soldaten nichts gemein hatte: Er bedeckte zwar den Nacken, sodass nur noch seine Zopfenden hervorlugten, ließ jedoch die untere Hälfte seines Gesichts frei. Lediglich Nase und Augen verschwanden unter einem spitz zulaufenden Metallschutz, den man hochschieben konnte. In gewisser Weise erinnerten sie an Rabenköpfe mit schwarz glänzenden Schnäbeln. Der Helm bezweckte nämlich hauptsächlich, wie Revyn befürchtete, den Drachenkriegern ein angsteinflößendes Äußeres zu verleihen.
    Revyn trug den Helm allerdings aus einem anderen Grund über das Gesicht geklappt, denn darunter konnte er die Augen für ein paar Minuten schließen und dahindösen.
    Eine Weile legte er den Kopf in den Nacken und ließ die Lichttupfen der Sonne über sein Gesicht tanzen. Palagrin vertrieb sich die Zeit damit, an seinem Maulkorb zu nagen. Als sich die eisernen Ketten nicht durchbeißen ließen, schnaubte er resigniert und warf den Kopf zurück. Dabei klapperte der schmale Schild, der ihm von den Hörnern bis zu den Nüstern reichte, und der Drache schien endgültig aufzugeben. Revyn tätschelte ihm den Hals. Bald sind wir da - dann befreie ich dich von diesem Zeug, versprochen. Das leise Drachenschnauben kam Revyn fast vor wie ein Seufzen.
     
    Zum Verdruss des ganzen Heeres legten sie heute keine Mittagspause ein. Erst beim Einbruch der Dunkelheit führte die Klamm bergauf. Als die engen Felswände hinter ihnen blieben, lichtete sich bereits der Wald, und vor ihnen tauchte das haradonische Heer auf.
    Aus allen Städten hatten die Kriegerscharen sich versammelt; aber erst durch die Streitkräfte Logonds wurde aus der Menge eine wahre Armee. Die einfachen Soldaten begrüßten die voranreitenden Drachenkrieger mit

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