Das dreizehnte Kapitel (German Edition)
dazu, glaube ich, Leute lieber zu mögen als sie mich.
Jeder Satz, der mit ich beginnt, leidet an Enge und Atemnot.
Wenn du mit niemandem offen sein kannst, bleibt nur noch das Schreiben.
Es genügt nicht, sich zu genieren.
Die meisten leiden ohne Gewinn.
Auf schwarzen Wellen segelt der Glauben wie ein Idiot. Und taub und blind.
Ich lebe von dem, was ich Ärmeren raube.
Mein Leben spinnt.
Die grünsten Gräser unterhalten sich abends über Kälte, Wärme und Wind.
Türme sind zum Zuhören da. Schmerzen werden ins Bett gebracht.
Der Mond steht tot über den Häusern. Ratlos hängen die Kleider. Verzicht entblättert die Rosen. Gesang sät Spuren in die Nacht.
Vergessen will ich lernen. Nur vergessen.
Ich bleibe beim Papier sitzen, dass ich nicht hinaus muss.
Ich wage nicht, auszusprechen, was das hieße: hinaus.
Man kann den Mann nicht gemein genug darstellen, er ist immer noch gemeiner, und zwar der gute, der beste.
Männer. Ihr liederlicheres Verhältnis zur Sprache. Sie glauben, man könne lügen. Lügen sei möglich. So unentwickelt sind sie. Als käme durch Lügen nicht genau so viel Wahrheit heraus wie durch Wahrheit.
Angebunden müssen Sätze sein, dass sie nicht zergehen. Es muss sie etwas hindern.
Schicksal ist eine Fracht, Sätze zu stärken. Überhaupt Unbegreifliches.
Es genügt nicht, dass es Abend ist.
Ich bin weit weg von mir.
Anders war es nicht auszuhalten.
Wenn man sich traut zu sagen, mit wem man Mitgefühl hat, ist man schon verloren.
Sage nichts, aber sag es genau.
Man muss von einem Nagel sprechen, nicht von sich.
Ich möchte aufwärtsgehen auch in Ebenen.
Ihr habt meine Haut beschrieben, ich lese vor.
Das Haus ist voller Leere.
Die Komödie entsteht aus Notwehr.
In der Hölle zu sein genügt nicht. Es kommt darauf an, wer drin ist.
Rosen, eiserne Geländer, Gespenster, wo ich hinrühre, Staub von Flügeln schüttelnd, die sich nicht mehr bewegen lassen wollen.
Ich bin schon dankbar dafür, dass die Gespenster Flügel haben, so sehen sie wenigstens Engeln gleich.
Der Schrecken wird sich fassen lassen müssen.
Ich werde bei jedem Schritt in die Tiefe zuerst noch zögern.
Mich anbiedernd, gebe ich mich zurückrufbar.
Eigentlich will ich gerettet werden. Wie jeder.
Nichts ist mir so ungemäß wie eine Expedition. Sie lässt sich nicht vermeiden. Ich bin allein.
Das ist der Kontext. Nichts und niemand legt sich quer. Das wirkt wie Schub und Sog. Ich bin schon weg. Das Licht bleibt hinter mir zurück. Meine Eile düngt die Finsternis. Und die Notwendigkeit macht mich stumm.
Versöhnt bin ich nicht, aber ermüdet.
Ich höre dem Schmerz in meinen Fingern zu.
Alles wartet darauf, Wunde zu sein.
Taste, aber hoffe nicht.
Mein Knie ist Fremde genug.
Ist mir ein Schmerz ins Netz gegangen?
Blutet der Spiegel, in den ich schau?
Hab ich im Kopf ein Werk aus Pein?
Wer hat mich in seiner Gewalt?
Liebe Theologin, wie finden Sie das, dass es mir guttut, Iris an Sie verraten zu haben? Und wieder: Ich kann nichts dafür. Ich könnte jetzt eine Ladung Wagner brauchen. Iris macht mich immer so schwer. Dass sie nicht mit mir sprechen kann über das, was sie schreibt, versteh ich. Nicht einmal ich, verglichen mit ihr ein Luftikus, will mit anderen über das sprechen, was ich schreibe. Sie können sagen: Ist nicht mein Stil! Oder gar nichts. Mir genügt es, Sie zur Mitmacherin dieses Verrats gemacht zu haben. Dieser Verrat ist unser Gemeinsames.
Oder schreiben Sie: Tut mir leid, Komplizin eines Verrats zu sein liegt mir nicht, Lukas XY und Paulus YZ. Ich scheue mich nicht, konkret zu werden. Das Wirkliche ist das Triviale. Iris ist es egal, was ich anhabe. Ich kann anziehen, was ich will, sie sieht es nicht. Eine Zeit lang hat mich das erbittert. Durfte es das?
Es grüßt Sie
der Verratssüchtige
11
Liebe Gnädige Frau –
noch nie war ich für diese Sorte Anrede so dankbar wie heute –, Sie müssen mir vergeben. Sie müssen nicht großzügig sein, sondern gnädig. Sie müssen mir verzeihen. Ich bitte Sie darum! Vom 13. Kapitel wird zwischen uns nie mehr die Rede sein. Bitte. Iris-Sätze auf herumliegenden Zetteln und Seiten hat es nie gegeben! Ich sende diesen Brief dem mit den Iris-Sätzen so schnell nach, dass ich hoffen kann, er erreiche Sie, bevor Sie die Iris-Sätze gelesen haben. Ich bin sonst kein Gewissensheld, aber dass ich Ihnen nicht nur den Titel, sondern auch noch Texte verraten habe, die vielleicht unter diesen Titel gehören, das war zu viel. Ich stelle mir vor, irgendwann, in unvorstellbarer
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