Das dritte Ohr
Mikrofon verborgen.
Ich vergrößerte das Loch, und das Mikrofon fiel aus seinem Versteck. Es war ein altmodisches, vor der Erfindung des Transistors hergestelltes Gerät. Ich steckte das Mikrofon in das Loch zurück, hing das Bild wieder an seinen Platz und verfolgte den Draht zum Boden, wo er unter dem von Wand zu Wand reichenden, lose aufliegenden Teppich verschwand. Ich stellte fest, daß der Draht durch eine Eisenröhre in den Keller führte.
Als ich aufblickte, stand Astrid in der Tür und beobachtete mich mit zusammengepreßten Lippen. Als unsere Blicke sich begegneten, zeigte sie eine recht passable Imitation von Belustigung. Sie hatte sich ein schwarzes, einfach geschnittenes, aber offensichtlich sehr teures Kleid angezogen. Es schmiegte sich an ihre schlanke Gestalt, hob diskret ihre Figur hervor. Kaufte ihr Freund, der ihr den Volvo geschenkt hatte, auch ihre Kleider bei Dior oder Yves St. Laurant?
„Wühlen Sie nach Trüffeln?“ fragte sie und stellte eine große Papiertüte auf den Tisch.
Ich stand auf und zeigte ihr das Messer.
„Das habe ich hier liegen sehen und aufgehoben.“
Sie nahm das Messer und untersuchte es. „Komisch. Wie das wohl hierher gekommen ist? Niemand hat je in diesem Zimmer gegessen.“
Sie wirkte größer, denn sie trug nun Schuhe mit hohen Absätzen. Ein schwarzes Samtband hielt ihr Haar zusammen, so daß es nicht mehr über die eine Gesichtshälfte fiel, und brachte den Metallglanz noch stärker zur Geltung. Sie war nicht mehr jener unauffällige Frauentyp, an den ich so gewöhnt war und der keine Erinnerung an Gesicht oder Figur in meinem Gedächtnis zurückließ. Sie starrte mich, nach einem Kompliment forschend, an.
„Ich habe immer mein ‚kleines Schwarzes’ im Auto“, sagte sie, meiner Frage zuvorkommend. „Auch Zahnbürste und Pyjama, für alle Fälle.“
Sie nahm die Papiertüte und ging in die Küche, wo sie deren Inhalt ausschüttete: Butter, Brot, Kaffee, Tee und einen langen schwarzen Räucheraal in Zellophanpapier.
„Ich hatte alles im Auto, aber ich vergaß es reinzubringen“, sagte sie und packte die tote Schlange, die mich aus ihrer Zellophanhülle anstierte.
„Das verstehe ich nicht“, sagte ich. „Was sollen wir denn damit anfangen?“
„Ihn aufessen! Ich habe auch eine Flasche Steinhäger mitgebracht, um Ihre Ankunft zu feiern.“
Sie öffnete einen Wandschrank und holte zwei Schnapsgläser heraus. Dann fischte sie, ohne hinzusehen, einen Korkenzieher aus einer Schublade. Zweifellos kannte sie sich in Heinemanns Haus sehr gut aus!
„Man braucht schließlich ein paar Vorräte. Tee, Kaffee, Butter, Brot, ein Stück Käse … man möchte sich ja vielleicht gern selbst das Frühstück machen. Es reicht für zwei.“
„Vielen Dank“, sagte ich, gespannt darauf, wie weit sie noch gehen würde, nachdem sie angeboten hatte, mir das Frühstück zu machen. „Lassen Sie mich Ihnen bitte das Geld dafür geben.“
„Joseph hat mir Geld für diese Besorgungen dagelassen“, sagte sie und schenkte die beiden Gläser voll. „Das gehört mit zum Haus. Lebensmittel machen ein Haus zu einem Zuhause. Skǿl!“ Sie reichte mir ein Glas und hob das ihrige.
Der Drink war weich und hinterließ einen Kümmelgeschmack. Ich war entschlossen, ihrem Spiel ein Ende zu machen, da sie offensichtlich ein bestimmtes Ziel damit verfolgte. Wollte sie zu mir ziehen?
„Können Sie mir sagen, was das ist?“ fragte ich. Sie folgte mir ins Wohnzimmer. Ich zeigte auf das Bild des schnauzbärtigen Soldaten und wartete auf ihre Reaktion.
„Der alte Bismarck“, sagte sie. „Joseph ist ein Experte für das 19. Jahrhundert. Wilhelm II. pflegte neben dem Eisernen Kanzler zu hängen, aber er fiel herunter und sein Rahmen zerbrach. Ich darf nicht vergessen, ihn im Rahmengeschäft abzuholen.“
Ich nahm das Bild von der Wand.
„Und wie steht es mit diesem Mikrofon?“ fragte ich.
„Ein Mikrofon?“ Sie schien ehrlich überrascht zu sein.
„Wie kommt denn das hierher?“
„Das frage ich Sie“, sagte ich. „Mikrofone werden im allgemeinen nicht ohne Absicht in Wände eingebaut.“
„Es sieht ziemlich abgetakelt aus“, sagte sie und trat näher an die Wand heran. „Das neueste Modell ist es bestimmt nicht!“
„Woher wissen Sie das? Was verstehen Sie denn von Mikrofonen?“
„Eine ganze Menge. Das hier ist nicht transistoriert. In der Klinik arbeite ich die ganze Zeit mit Instrumenten, aber keines ist so plump wie das hier.“
„Es ist ein altes
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