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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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Zigeunerin.
    „Jederzeit, wenn Sie mir Geld geben. Es gibt nichts Besseres als Geld, um Geister zu beschwören.“ Sie zwinkerte mir zu, als hätten wir ein gemeinsames Geheimnis.
    „Ich möchte gern einen wissenschaftlichen Test machen“, sagte ich, „aber nicht hier. Ich möchte, daß Sie zu mir ins Laboratorium kommen, wo ich bestimmte Körperreaktionen messen kann. Ich möchte Ihr Verhalten während der Trance beobachten.“
    Sie zuckte die Achseln.
    „Das habe ich mir gedacht. Sie sind nicht der Typ, der auf Zigeunerinnen wie mich fliegt. Ich wußte, daß Sie etwas anderes im Sinn haben, sonst hätte ich Sie gebeten, für mich zu sitzen und nicht Ihre Begleiterin. Sie ist der ideale Typ, um Reaktionen auszulösen – das habe ich auf den ersten Blick erkannt“, sagte sie erfahren. „Wohin soll ich kommen?“
    „In die Ottendorfer Klinik.“
    „Wo ist das?“
    „Ich hole sie ab“, sagte Astrid hastig. „Dr. Bolt, Sie müssen mir nur sagen wann.“ Offenbar wollte sie ihre kurze Unbeherrschtheit wieder gut machen.
    „Paßt es Ihnen morgen vormittag um zehn?“ fragte ich die Frau.
    „Ich stehe nie vor sechs Uhr abends auf. Tagsüber funktioniere ich nicht richtig.“
    „Also gut, morgen abend um sieben. Fräulein Gunnar wird Sie abholen.“
    „Aber ich kann mir doch nicht die Arbeit im Nachtklub entgehen lassen“, sagte Madame Dolores. „Ich muß um neun Uhr dort sein.“
    „Ich komme für jegliche Verspätung auf“, sagte ich und legte einen Fünfzig-Mark-Schein auf den Tisch. Ich wollte unbedingt vermeiden, daß sie einen Rückzieher machte – sie könnte sich als Schlüsselfigur meiner Forschungen erweisen.

11
     
    Astrid trat vor mir auf die Straße, beunruhigt über die Spannung, die die Seance zwischen uns geschaffen hatte. Mir schien es, daß die alte Frau auch meine Gedanken gelesen und mein krankhaftes Mißtrauen Menschen gegenüber erkannt hatte; daß ihre Charakteranalyse von Astrid in diabolischer Weise gegen mich gerichtet war. Sie war gleichermaßen Psychologin und Gedankenleserin.
    Wir bogen um die Ecke auf die Reeperbahn und hielten nach meinem Taxi Ausschau; bisher hatten wir kein Wort miteinander gesprochen. Die breite Straße war immer noch belebt. Ein winziger Mann mit Hakennase schlängelte sich an mich heran und erbot sich, uns zu einer privaten Filmvorführung zu bringen, die uns, wie er versprach, „geil“ machen würde. Wir müssen wie ein Liebespaar ausgesehen haben, das sich gezankt hatte.
    Ich wartete ab, ob Astrid das Gespräch als erste aufnehmen, würde. Ich wußte, daß sie, wenn ich sie anredete, womöglich ihren aufgestauten Ärger an mir auslassen würde.
    „Ich bin gerade dahinter gekommen, warum diese alberne Frau mich so aufgeregt hat“, rief sie plötzlich und wandte sich mir zu. Ihr Blick war fest, ihr Ärger verflogen. Jemand hatte sie in der Beherrschung ihrer Gefühle gut gedrillt.
    „Es hat etwas mit Ihnen zu tun.“
    „Ich bin unschuldig wie ein neugeborenes Lamm“, sagte ich lachend, um die Situation zu entspannen.
    „Es sollte Frauen wie ihr nicht gestattet sein, Leute mit solchem Quatsch aufzuregen. Sie sind destruktiv. Ja, das sind sie!“
    „Nur wenn man sie ernst nimmt“, sagte ich, mich ihrer Stimmung anpassend. Es war offensichtlich, daß die Zigeunerin an eine ihrer verwundbaren Seiten geschlagen hatte.
    Aber sie hatte eine Erklärung parat.
    „Als ich fünf war“, sagte sie, „nahm meine Mutter mich zu einer Wahrsagerin mit. Ich erinnere mich noch an ihren Namen – Stubenrauch. Komisch, daß man so einen lächerlichen Namen behält. Für zwei Kronen las Frau Stubenrauch Karten. Sie sah dieser alten Hexe ähnlich, die wir gerade verlassen haben, und prophezeite, daß meine Mutter nach ihrem dreißigsten Geburtstag nicht mehr zu Fuß zu gehen brauchte. Meine Mutter dachte natürlich, sie wäre dann so reich, daß sie einen Wagen mit Chauffeur hätte, aber sie starb zwei Jahre später, als ich sieben war. Frau Stubenrauch sagte auch, sie könne nichts nach meinem zwanzigsten Geburtstag voraussagen.“ Astrid paßte ihre Schritte meinen an, als versuchte sie, wieder einen Rhythmus in unsere Beziehung zu bringen. „Seit dem Tod meiner Mutter glaubte ich, daß ich mit zwanzig sterben müßte – und ich war deswegen dauernd krank; Halsweh, Magenkatarrh, Ohnmachtsanfälle, ja sogar vorübergehend Blindheit. Die durch meinen Körper wandernden Schmerzen wurden manchmal so stark, daß die Ärzte mir Beruhigungsmittel gaben, aber sie

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