Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
Vom Netzwerk:
freiwillig dazu gemeldet.“
    Ich schlief ein. Von Zeit zu Zeit erwachte ich benommen, wenn die Flasche Glykose erneuert wurde oder jemand ins Zimmer kam und etwas flüsterte. Im Traum beobachtete ich, wie die Alpha-Wellen des Schlafs die Beta-Wellen verdrängten und manchmal in Delta übergingen. Kein RAB-Schlaf. Keine rasche Augenbewegung. Mein Verstand drehte sich im Halbbewußtsein um chemische Formeln, vermischt mit Bildern von Leuten, die ich kennengelernt hatte, mit Szenenfetzen in Zimmern und Laboratorien. Die Formeln verflochten sich mit geistigen Bildern zu symbolischer Bedeutung. Was ich träumte, ergab einen Sinn, solange ich schlief; löste sich aber in Unsinn auf, sobald ich erwachte.
    Ich muß tagelang in einem Zustand des Halbbewußtseins gelegen haben; ich stand auch unter dem Einfluß von Drogen. Sie wollten mich unbeweglich und still halten, nahm ich an. Keine Aufregung, noch nicht.
    Aber ich kannte den Schatten, der immer um mich war. Astrid. Ihr war der Umgang mit Patienten vertraut, denn sie hatte jahrelang einen sterbenden Mann gepflegt. Ich war der Ersatz für Swen, und weil ich hilflos war, erregte ich ihr Mitleid. Daraus schöpfte sie, wie ich vermutete, ihre Zufriedenheit – sie wollte sich erwünscht und unentbehrlich fühlen. Solange ich krank war, gehörte ich ihr.
    Als ich mich im Bett aufsetzen und etwas Suppe trinken konnte, erschien Bauer.
    „Eine herzhafte Mahlzeit für einen Kranken ist scheinbar ein totes Huhn, daß durch heißes Wasser gezogen wurde“, sagte er und betrachtete mich. Sein weißes Haar sah zottelig aus, mußte geschnitten werden, und seine Augen wirkten noch kindlicher. „Es freut mich, Sie mit offenen Augen zu sehen!“
    „Sie haben Ihre Besuche immerzum falschen Zeitpunkt gemacht“, sagte ich. „Sie sind immer dann gekommen, wenn ich unter Drogeneinfluß stand.“
    „Wir mußten Sie stillhalten“, sagte Bauer. Die Zimmertür war halb geöffnet, zu meiner Überraschung saß draußen ein amerikanischer Marinesoldat.
    „Was tut der denn hier?“ fragte ich.
    „Ihre Botschaft hat ihn dort postiert. Man möchte nicht, daß Ihnen irgendetwas zustößt.“
    „Es geht nichts darüber, den Stall zu verriegeln, nachdem die Kuh durchgebrannt ist“, sagte ich.
    Astrid brachte ein Feldbett in Ordnung. Sie mußte im selben Zimmer wie ich geschlafen haben.
    „Ganz recht“, sagte Bauer. „Allem Anschein nach sind Sie Regierungseigentum.“
    „Warum haben sie mich in Ihre Klinik gelegt?“
    „Ich nehme an, aus Sicherheitsgründen“, sagte Bauer. „Sie sind der wertvollste Mensch auf Erden, Dr. Bolt.“
    Ich hielt mitten im Lachen inne. Ein stechender Schmerz durchbohrte meine Brust wie ein Messer.
    „Verhalten Sie sich schön still“, sagte Bauer. „Sie sind noch nicht gesund.“
    „Was ist mit Burns und Laqueur? Ich glaube, ich weiß über Kubatschew Bescheid.“
    „Später“, murmelte er und wandte den Blick ab. „Wissen Sie, eigentlich müßten Sie tot sein. Es ist reines Glück, daß Sie noch am Leben sind.“
    Im Verlauf der nächsten Tage machte ich rasche Fortschritte und konnte schon bald wieder auf dem Korridor an dem Marineposten vorbeispazieren. Der Mann wechselte ein paar Worte mit mir. Er hatte den nasalen kalifornischen Akzent, der in mir Heimweh weckte. Er hatte offenbar den Befehl bekommen, weder meine Fragen zu beantworten, noch mir irgendwelche Auskünfte zu geben.
    Löffler erschien. Er sah ausgeruht aus.
    „Sie mußten erst niedergeschossen werden, ehe mir eine ausgiebige Nachtruhe vergönnt war“, sagte er. „Es gab keine andere Alternative.“
    Er musterte mich stumm. Es folgte eine lange Pause. Ich hatte den Eindruck, daß er mich testete. Inzwischen hatte er wohl erfahren, daß ich Gedanken lesen konnte, wußte aber nicht, daß ich diese Fähigkeit nicht mehr besaß. Aber auch wenn er recht gehabt hätte, wäre es eine einseitige Unterhaltung gewesen. Er erwähnte nicht, daß er mich der Erzeugung von ESP verdächtigte. Daß er etwas vor mir verbarg, wußte ich auch ohne die Hilfe des 232.
    Es regnete wieder. Die Tropfen prasselten drohend gegen die Scheiben. Ich fühlte, wie Löfflers Unsicherheit wuchs.
    „Ich hoffe, daß Sie uns bald verlassen“, erklärte er; er war unfähig, für sich zu behalten, was ihm durch den Sinn ging. Er wollte feststellen, wie es mit mir stand.
    „Sobald ich hier herauskomme.“
    „Sie können mir glauben, daß ich den Tag Ihrer Abreise feiern werde. Ich mag Sie nicht, Bolt, auch nicht die

Weitere Kostenlose Bücher