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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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Barth.
    »Hitler war sehr freigebig, was seinen engsten Kreis betraf«, sagte Sharon. »Sein Hausintendant, Arthur Kannenberg, besorgte in der Regel die Geschenke für Freunde und Bekannte, aus Berlins exklusivsten Geschäften. Da war Meissener Porzellan darunter, silberne Tabletts, goldene Uhren, Ketten, Operngläser, wahrscheinlich für Bayreuth. Diese Wagners lagen ihm ja zu Füßen.«
    »Nicht alle«, wandte Heide ein.
    »Aber die meisten«, sagte Sharon.
    »Woher weißt du das alles?«, fragte Raupach.
    Bei dem »Du« zuckte Heide zusammen. Photini rührte sich nicht.
    »Eine von Hitlers Sekretärinnen, Christa Schroeder, hat das später berichtet«, fuhr Sharon fort. »Hitler hat sogar eine Liste angelegt für die Leute, die er beschenkt hatte. Damit er nicht zweimal das Gleiche verschenkte.«
    »Ist das historisch belegt?«
    »Hitlers Adjutant hat die meisten dieser Listen bei Kriegsende vernichtet – und alles andere, was sich in den Tresoren befand. Deshalb ist so gut wie nichts überliefert.«
    »Besser so«, sagte Photini. »Wen interessiert es, an Hitlers dreckiger Unterwäsche zu schnüffeln?«
    »Mich«, widersprach Sharon. »Anhand der Listen hätte man diese Leute nach dem Krieg leicht zu fassen bekommen. Günstlinge, Schleimer, Nutznießer. Die waren früher so erpicht darauf, im Dunstkreis des Führers zu stehen, die haben alles dafür getan. Alles.«
    »Bei diesem ›Alles‹ gab es vermutlich eine ganz schöne Bandbreite«, meinte Heide.
    »Egal, jeder bekam eine Belohnung vom Führer.« Sharon beugte sich vor. »Nicht nur hochrangige Nazis und Militärs. Auch Schauspieler, Künstler. Ein berühmter Bildhauer. Das kam erst sehr viel später heraus, diese Leute haben das nach dem Krieg natürlich verschwiegen. Es gab kleine Aufmerksamkeiten, eine Schreibgarnitur, eine Handtasche. Doch manchmal auch viel mehr, hohe Geldsummen, ganze Landgüter. Dotationen hieß das damals, Hitler ließ sich nicht lumpen. Er verteilte Geschenke wie ein Fürst, allerdings aus der Staatskasse, finanziert vom Steuerzahler. Bestechung war das, damit hielt er sich sein enges Umfeld gewogen.«
    »Man hat sich ja immer gefragt, warum Hitlers Feldmarschälle und Generäle bedingungslos zu ihm hielten«, sagte Heide.
    »Die haben sich einfach nur persönlich bereichert. Eine Viertelmillion Reichsmark, das war der übliche Satz für verdiente Militärs, gelegentlich gab’s eine Immobilie obendrauf. Da hält man lieber den Mund, wenn der Führer wieder mal rumspinnt.« Sharon verzog den Mund. »Zum Kotzen.«
    »Haben wir es mit einem prominenten Fall zu tun?«, wollte Raupach wissen.
    »Ich denke, heute kommt es nicht mehr auf den materiellen Wert dieser Zuwendungen an«, erwiderte Sharon. »Die Erben müssen nichts davon zurückgeben, juristisch gesehen. Denen ist höchstens ihr guter Ruf wichtig. Das ehrende Andenken an ihre Vorfahren.«
    »Auch Marsh ist ein Erbe, wenn auch von der Gegenseite«, sagte Photini. »Ganz astrein ist der nicht.«
    »Es gibt Erklärungsbedarf.« Raupach fuhr von der Autobahn ab.
     
    KENNETH MARSH war überrascht über so viele Ankömmlinge. Sharon wollte er gar nicht erst hereinlassen, obwohl sie sich sofort entschuldigte für ihren Gefühlsausbruch am Tag zuvor. Raupach erklärte knapp, dass Sharons jüdischem Urgroßvater die Marienburger Villa gehörte, bevor er seinen Besitz unter den Nazis verlor. Sharon habe überreagiert, ihr Wissen sei sehr wertvoll für die laufende Ermittlung.
    »Dieses Haus wirft einen langen Schatten«, sagte Marsh und zeigte sich zugänglicher. Er bat seine Gäste herein, ließ sie in dem großzügigen Wohnzimmer Platz nehmen und bot ihnen Kaffee an. »Von einem Weinhändler erwarten Sie sicher etwas anderes. Vielleicht einen spritzigen Riesling, um diese Stunde. Aber Sie sind ja im Dienst.«
    »Ihre Geschäfte laufen gut, oder?«, fragte Heide.
    »Ich kann mich nicht beklagen.«
    »Das Hobby zum Beruf gemacht?«
    »Meine Familie besitzt seit langem gute Kontakte nach Bordeaux. So kam eines zum anderen.«
    Marsh trug einen leichten, sichtlich teuren Pullover, elegante Hosen und Schuhe wie beim Segeln. Er war braungebrannt und in guter körperlicher Verfassung. Kurzes graues Haar, Lachfalten. Außer einem rötlichen Fleck am Kinn war nichts von Sharons Übergriff zurückgeblieben.
    »Ich bin gespannt, ob Sie mir etwas über meinen Vater erzählen können.« Er schenkte Kaffee ein und setzte sich in einen alleinstehenden Sessel. »Um den geht es ja wohl bei Ihren

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