Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
immer.«
Das ist englisches Schwedisch, dachte Winter.
In der Diele schloss Mars die Augen. Es sah aus, als würde er lauschen. Winter schloss ebenfalls die Augen, er lauschte auf die entsetzlichen Geräusche, das Geheul. Jetzt hörte er nichts. Vielleicht lag es daran, dass er nicht allein war.
»Wo ist es passiert?«, fragte Mars, ohne die Augen zu öffnen. Es war, als spräche man mit einem Blinden.
»Überall«, sagte Winter. »Wir arbeiten noch an der Rekonstruktion des Tathergangs.«
Mars stand mit geschlossenen Augen da, als wäre er halbwegs in einem Traum. Er sah nicht aus, als wäre es ein Alptraum.
»Wie wollen Sie das rekonstruieren?«
Plötzlich meinte Winter etwas zu hören. Das Geräusch kam vom Obergeschoss. Es klang wie Schritte.
»Haben Sie auch etwas gehört?«, fragte er.
»Was?«
Winter stieg die Treppe hinauf. Jetzt war es oben still. Oben war nichts. Mars folgte ihm.
»Sollte da irgendwas sein?«
Winter trat ans Fenster, ohne zu antworten. Die Häuser dort unten lagen still da. Hier schien Feiertag zu herrschen, ewiger Feiertag.
»Ist das die Art, wie Sie arbeiten?«, hörte er den anderen fragen.
»Was haben Sie gedacht?«
»Ich habe geglaubt, Ihr Job bestehe überwiegend aus Lesen und nochmals Lesen.«
»Das kommt später.«
»Wie oft werden Sie noch hierherkommen?«
»So oft wie nötig.«
»Ich glaube, ich verstehe.«
Winter ging auf die Treppe zu. Er wusste nicht, was er gehört hatte. Darüber musste er nachdenken, allein nachdenken.
»Haben Sie die Begabung?«, fragte Mars.
»Manchmal.«
»Die kann man nicht nur manchmal haben.«
»Dann habe ich sie nicht.«
»Ich glaube, Sie haben sie.«
»Was bedeutet das für Sie?«
»Dass ich weiterleben kann. Dass ich eine Antwort bekommen werde.«
»Rechnen Sie nicht damit, dass es auf alles eine Antwort gibt.«
Winter schleuderte Steine übers Meer. Kein Meisterwurf. Das Eis war jetzt weg, es gab keine feste Oberfläche. Die Steine fanden nirgends Halt.
»Der Strand gehört also Ihnen?«
»Ja.«
»Alles gehört Ihnen?«
»Ja.«
»Sie sind ein glücklicher Mann.«
»Ja.«
»Was sagt Ihre Frau?«
»Dazu, dass ich ein glücklicher Mann bin?«
»Dazu, dass hier kein Haus steht.«
»Darüber reden wir nicht.«
»Vielleicht reicht es auch so.« Mars schaute über das Meer. Draußen bewegte sich ein Schiff durch die Fahrrinne. Winter hörte den Schmerz in Mars’ Stimme und warf noch einen Stein und schämte sich seines Glücks.
Er drehte sich um. Mars stand im Sand, der eine Farbe wie die Sonne an einem frühen Frühlingstag hatte. Alle Farben würden dann kräftiger werden. Alles würde sich ändern. Es würde sehr schnell gehen, wenn es nur erst einmal angefangen hatte.
»Ich muss Ihnen noch eine Frage stellen«, sagte Winter.
»Noch eine? Es bleibt nie bei einer.«
»Hatte Ihre Frau ein Verhältnis?«
Mars antwortete nicht. Er hörte nicht zu.
»Wir glauben das.«
»Was soll ich darauf antworten?«
»Hatten Sie einen Verdacht?«
»Warum ertränken Sie mich nicht gleich im Meer?«, sagte Mars. »Sie schaffen das.«
»Ich muss fragen.«
»Nein, das müssen Sie nicht. Mars ging einen Schritt vor, einen zurück, einen vor. Ich kann mir schon denken, was Sie wissen.«
Winter antwortete nicht.
»Oder, Herr Kommissar?«
»Ja.«
»Sie sind ehrlich.«
»Ja.«
»Es tut mir leid, dass ich Sie ein Schwein genannt habe. Das war eine Beleidigung für ein nobles Tier.«
Winter kommentierte das nicht. Eine Weile standen sie schweigend da.
»Sie sind zehn Jahre älter als ich«, sagte Mars. »Mehr als zehn Jahre. Glauben Sie, ich kann mein Leben bis zu dem Punkt fortsetzen, an dem Sie jetzt sind?«
»Weit darüber hinaus«, sagte Winter.
»Ich weiß, dass Sie es versuchen, aber Sie können nicht … ich sein. Sich hineinversetzen, wer ich bin. Ich glaube, Sie sind bereit, bei Ihren Versuchen weit zu gehen. Aber Sie werden es nicht schaffen, ich zu werden.«
»Ich versuche nicht, Sie zu werden«, sagte Winter.
Er ließ die beiden Steine, die er noch in der Hand hatte, fallen. Die Kälte der Steine begann auf seiner Haut zu brennen.
»In wessen Rolle versuchen Sie sich denn dann zu versetzen?«
»Ich versuche, der Mörder zu werden.«
Er saß vor der letzten Flasche Dallas Dhu. Die Destille war jetzt ein Museum und die Natur, die sie umgab, ungenutzt. Was für eine Verschwendung von Gaben.
Er nahm wieder einen Schluck, lauschte Coltranes Meditations , Teufelsmusik, Teufelsgesöff, er stellte das Glas
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