Das dunkle Haus: Kriminalroman (Ein Erik-Winter-Krimi) (German Edition)
ab. Coltranes Band lief im Zimmer Amok. Er stellte die Musik lauter, »The Father And The Son And The Holy Ghost« wie ein teuflischer Chor, Melodien, die nur wahrhaft Wahnsinnige anhören konnten.
Ich klingle an der Tür. Nein, ich klopfe an. Nein, die Tür steht schon offen. Sie hat mich auf der Straße kommen sehen, sie ist schon auf der Veranda, heißt mich willkommen. Nein, sie hat mich durchs Fenster gesehen, ich weiß, was man durch das Fenster sehen kann, ich habe selbst dort gestanden, habe viele Male dort gestanden, hinter mir hat das Kind geschlafen, ich habe es aufgenommen, nein, ich habe es nicht aufgenommen, doch, ich habe es getan. Die Tür steht offen, ich werde erwartet, nein, ich werde nicht erwartet, ich werde nicht erwartet, aber ich bin willkommen, ich werde nicht willkommen geheißen, aber es ist selbstverständlich, dass ich da bin, ich werde nicht erwartet, aber mein Besuch ist keine Überraschung. Ich bin noch nie in dem Haus gewesen. Ich bin viele Male daran vorbeigegangen. Ich weiß, dass es das Haus ist.
Ich wohne in der Nähe. Ich wohne nicht in der Nähe. Ich wohne hier. Ich heiße Jovan Mars. Ich habe einen anderen Namen, ich wohne nicht hier, dieses Haus geht mich nichts an. Ich heiße Christian Runstig. Ich heiße Robert Krol. Ich habe einen anderen Namen, einen Namen, den bisher noch keiner gehört hat. Jetzt habe ich keinen Namen. Ich habe in dieser Geschichte noch kein Wort gesagt. Ich habe schon zu viel gesagt.
Er stand auf, ging zur Anlage und stellte sie noch ein wenig lauter. In dem Studio von Pharao Sanders wurden gerade drei Katzen und zwei Hunde erdrosselt und Elvin Jones und Coltrane auch.
Ich habe im Gartenpavillon gesessen und die Familie beobachtet, und ich weiß, dass er mir gehört. Ich liebe ihn, ich verfüge über ihn. Es ist eine höhere Liebe, die niemand versteht. Sie kennen mich nicht, aber ich kenne sie so gut wie mich selbst. Wir sind uns begegnet. Ich habe die Kinder geschaukelt, ich habe zugeschaut. Ich habe mir den Pavillon ausgeliehen, warum habe ich das getan, wussten sie, dass ich den Pavillon geliehen habe? Niemand hat mich gesehen. Niemand sieht mich, nie sieht mich jemand, niemals! Nein, ich muss mich still verhalten. Eben war ich nicht ruhig, muss ruhig sein. Ich habe sie gegrüßt, habe ihre Hand genommen, ihren Körper genommen. Ich wollte es nicht, es war, als würde sie mich zwingen, sie hat mich gezwungen, nein, das war ich nicht, ich habe davon gehört, dass es geschehen ist, jemand hat es mir erzählt, ich wollte es nicht hören, es war der Zeitungsbote, aber er hat den Tod verdient, er war vielleicht mehr als ein Bote, jetzt ist es zu spät, das herauszufinden, er hat meine Familie beschmutzt, ich wusste nicht, was ich tun sollte, als ich es hörte, ich war lange nicht dort gewesen, nicht im Pavillon, nicht auf der Straße oder dem Spielplatz, mehrere Tage lang nicht, ich musste nachdenken, ich konnte nicht denken, als es wieder still wurde, konnte ich denken, ich bin zurückgegangen, die Tür stand offen, jetzt hatte ich etwas zu erledigen, hatte – jetzt – etwas – zu – erledigen.
Winter hörte die Musik durch das Dröhnen zwischen seinen Ohren, zwei Güterzüge auf eingleisiger Strecke in der Nacht, die aufeinander zurasen. Er hob das Glas, aber es war leer, ihm fiel ein, dass es vor einer Weile nicht leer gewesen war. Er versuchte, wieder ein anderer zu werden, aber für heute Nacht war der Moment vorbei, nur die Musik war noch da.
19
Gullebergsvass zeigte sich von seiner besten Seite, der Wind war schwächer als gewöhnlich, kein Niederschlag. Winter und Ringmar gingen in Richtung Westen, an den Schiffswracks vorbei, den Hausbooten, den Träumern. Sie waren im Lauf von vielen Jahren viele Male hier langgegangen, es war ein guter Ort für Gedanken und Gespräche.
»Das kommt alles weg«, sagte Ringmar.
»Ach, das wusste ich nicht.«
»Nein, woher solltest du auch?«
»Und was kommt anstelle von all dem?«
»Irgendetwas im Geist der neuen Zeit.«
»Aber wohin dann mit uns?«
»Es gibt immer andere Orte.«
Auf einem Wrack tauchte ein Mann an Deck auf. Er nickte, als würde er sie kennen. Sie nickten ebenfalls.
»Jemand da draußen hat uns unter Kontrolle«, sagte Winter.
»Die scheinen alles unter Kontrolle zu haben.«
»Warum war Robin eine Gefahr? Für wen hat er eine Gefahr dargestellt?«
»Natürlich für den Täter.«
Sie näherten sich der Brücke. Bertil hatte gesagt, auch die würde abgerissen und
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