Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
diese Tageszeit war ihr Mann entweder in seinem Büro oder auf einer der Baustellen.
    »Der Fall ist doch abgeschlossen«, sagte sie schroff. Sie hatte sie im Salon empfangen, weil im Frühstückszimmer nicht eingeheizt war. Nach ihrem doppelten Verlust luden die Argylls noch keine Gäste ein. Alles war schwarz verhängt. An den Türen zur Vorhalle hingen Kränze, über die Spiegel waren Tücher drapiert, die Uhren standen still. In diesem Haus galten die Symbole der Trauer vermutlich mehr Toby Argyll als Mary, auch wenn Jenny vielleicht insgeheim durchaus auch ihrer Schwester gedachte. Monk hatte nicht vergessen, wie wütend Argyll geworden war, als er vom Tod der beiden erfahren hatte, und dass er spontan Mary die Schuld gegeben hatte. Wenn Toby sie umgebracht hatte, hatte er das dann auf Geheiß seines Bruders getan?
    Diesmal gestand Runcorn Monk die Führungsrolle zu.
    »Ich fürchte, dieser Fall ist noch nicht abgeschlossen, Mrs. Argyll«, sagte Monk bestimmt.
    Jennifer Argyll war von oben bis unten in Schwarz gehüllt, das ihr die wenige Gesichtsfarbe, die sie noch hatte, restlos raubte. Unter normalen Umständen hätte er sie für eine attraktive Frau gehalten, aber ihr fehlte die Kraft, die er in Marys Gesicht gesehen hatte, obwohl es damals bereits leblos gewesen war.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte Jennifer mit flacher Stimme. Ihre Haltung war steif und ihr Blick an ihnen vorbei auf das fahle Winterlicht jenseits des Fensters gerichtet. »Zudem will mir nicht in den Kopf, dass etwas Gutes dabei herauskommen kann, wenn in dieser Sache ewig herumgewühlt wird. Bitte gestatten Sie uns, in Frieden – und allein – zu trauern.«
    »Uns geht es im Augenblick nicht um den Tod von Miss Havilland und Mr. Argyll«, erklärte Monk. »Gegenwärtig untersuchen wir die Ereignisse in der Nacht, in der Ihr Vater gestorben ist.«
    »Sie haben das doch schon längst überprüft.« Sie sprach mit leiser Stimme, aber ihr Gesicht spiegelte ihren Schmerz und ihre Wut wider. Ihre Schultern strafften sich unter dem glänzenden schwarzen Stoff. »Es gibt nichts mehr dazu zu sagen. Es ist die Tragödie unserer Familie. Haben Sie doch etwas Mitgefühl und lassen Sie uns allein! Haben wir denn nicht schon genug gelitten?«
    Monk hasste es weiterzufragen, aber es war seine Pflicht. Ein Blick auf den ein, zwei Meter neben ihm postierten Runcorn verriet ihm, dass sein Kollege von denselben Skrupeln geplagt wurde. Aber er konnte diese Angelegenheit nicht einfach auf sich beruhen lassen. Ein Mensch, möglicherweise sogar ein zweiter, war als Selbstmörder gebrandmarkt worden. Das war schlimm genug. Doch noch viel dringlicher war, dass möglicherweise eine entsetzliche Katastrophe in den Tunneln drohte und er es in der Hand hatte, sie abzuwenden. Was bedeutete im Vergleich dazu schon die Furcht einer einzelnen Frau, den Glauben an ihre heile Familie zu verlieren? Fragen von Schuld oder Unschuld betrafen nur selten eine einzige Person.
    »Mrs. Argyll, Sie schrieben Ihrem Vater in der Nacht seines Todes einen Brief und ließen ihn persönlich überbringen.« Er sah, wie sie nach Luft schnappte. »Bitte bringen Sie sich und uns nicht durch Leugnen in Verlegenheit. Andere Personen haben diesen Brief gesehen, und ihr Vater behielt den Umschlag. Ich habe ihn gefunden.«
    Sie war aschfahl geworden. »Was wollen Sie dann noch von mir?«, presste sie mit kaum vernehmbarer, erstickter Stimme hervor. In ihren Augen loderte unversöhnlicher Hass.
    »Ich möchte wissen, was in dem Brief stand, Mrs. Argyll. Sie richteten es so ein, dass Ihr Vater mitten in der Nacht in den Stall ging, und zwar allein. Er tat das und wurde umgebracht.«
    »Er hat sich selbst umgebracht!«, schrie sie mit gefährlich anschwellender Stimme. »Um der Liebe Christi willen, warum können Sie das nicht auf sich beruhen lassen? Er war verrückt! Er hatte Sinnestäuschungen! Er hatte panische Angst vor geschlossenen Räumen und hielt das alles nicht mehr aus. Was müssen Sie denn noch wissen? Hassen Sie uns so sehr, dass es Ihnen eine Art von Vergnügen bereitet, uns leiden zu sehen? Müssen Sie alte Wunden wieder und wieder und wieder aufreißen?« Sie war kurz davor, die Kontrolle über sich zu verlieren. Ihre Stimme drohte, sich zu überschlagen.
    »Setzen Sie sich doch, Mrs. …«, begann er.
    »Ich setze mich nicht!«, fauchte sie. »In meinem eigenen Haus haben Sie mir nichts zu befehlen, Sie …« Sie suchte nach einem Ausdruck, den sie ihm an den Kopf werfen

Weitere Kostenlose Bücher