Das dunkle Labyrinth: Roman
könnte.
Monk blieb nichts anderes übrig, als ihr die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, bevor sie hysterisch wurde und entweder in Ohnmacht fiel oder sie hinauswarf. Und Farnham würde ihn gewiss nicht unterstützen.
»Ein Mann wurde beim Verlassen der Stallungen gesehen, kurz nachdem Ihr Vater erschossen wurde. Er roch nach Pulverdampf. Er war in der Gegend unbekannt und machte sich unverzüglich davon, wobei er zwei verschiedene Droschken zum East End nahm. Wissen Sie, wer dieser Mann war?«
Sie starrte ihn ungläubig an. »Natürlich nicht! Was sagen Sie da – er hat meinen Vater erschossen?«
»Das glaube ich, ja.«
Sie schlug sich die Hände vor den Mund und sank so unvermittelt auf den Stuhl, dass es den Anschein hatte, die Beine würden ihr den Dienst versagen.
»Es tut mir sehr leid«, sagte Monk und meinte es aufrichtiger, als er es für möglich gehalten hatte. »Was teilten Sie Ihrem Vater in diesem Brief mit, dass er noch um Mitternacht in den Stall ging, Mrs. Argyll?«
»Ich … ich …«<
Er wartete.
Langsam und mit größter Mühe gewann sie die Fassung zurück. Ihrer Mimik war abzulesen, wie heftig sie mit sich rang. »Ich bat ihn, sich mit meinem Mann zu treffen, damit sie in aller Ruhe miteinander reden konnten, ohne dass Mary sie störte. Sie war sehr leicht erregbar.«
»Um Mitternacht?«, fragte Monk überrascht. »Warum nicht am Morgen in seinem Büro?«
»Weil Vater Angst hatte, dass es ein Unglück geben würde, und sich weigerte, noch einmal ins Büro zu gehen und dort zu diskutieren«, antwortete sie sofort. »Er wollte sich an die Behörden wenden. Sie hätten sofort Ermittlungen eingeleitet und bis zu deren Abschluss die Einstellung der Arbeiten befohlen. Herausgekommen wäre natürlich nur, dass absolut nichts Wahres an den Behauptungen war. Aber die Behörden hätten es sich nicht leisten können, sich auf das Wort meines Mannes zu verlassen, wenn Menschenleben auf dem Spiel standen. Mein Vater war … verrückt, Mr. Monk! Er hatte jeden Sinn für Verhältnismäßigkeit verloren. Er hatte grässliche Angst, und die trübte sein Urteilsvermögen in jeder Hinsicht. Das … kommt vor. Die Gefahren unter der Erde, die Dunkelheit … das wirkt sich auf die Seele aus.«
»Sie haben also dieses Treffen als dringend anberaumt?«
»Ja.«
»Aber Ihr Mann ging nicht hin! Er war bis lange nach Mitternacht auf einem Fest. Sie haben bei der Polizei ausgesagt, dass Sie ihn dorthin begleitet haben. War das denn nicht wahr?«
»Doch, es war die Wahrheit. Ich … ich dachte, mein Vater hätte sich geweigert, Alan zu treffen. Er war sehr stur.« Sie sah ihn unverwandt an.
»Hat Ihnen das Mr. Argyll gesagt?«, fragte Monk.
Sie zögerte, wenn auch nur kurz. »Ja.«
»Ich verstehe.« Es leuchtete ihm tatsächlich ein. Er hatte nie geglaubt, dass Alan Argyll beabsichtigte, Havilland selbst zu töten. Dafür hatte er dem Mörder mit dem schwarzen Haar und der langen, dünnen Nase Geld gegeben. »Vielen Dank, Mrs. Argyll.«
»Denken Sie, dass er das Geld persönlich auszahlte oder einen Mann seines Vertrauens damit beauftragte?«, fragte Monk Runcorn, sobald sie draußen waren und auf dem vereisten Pflaster nebeneinander hergingen.
»Toby?«
»Wahrscheinlich, aber nicht notwendigerweise. Wer weiß denn schon, wo sich ein Mörder dingen lässt?«
Runcorn überlegte eine Weile, während sie schweigend weitergingen. »Wem sonst würde er trauen«, überlegte er laut.
»Können Sie den Weg des Geldes zurückverfolgen?«, wollte Monk wissen.
»Ich denke schon, wenn er es nicht jahrelang Penny für Penny in den Sparstrumpf gesteckt hat. Aber ich sehe das so wie Sie: Es ist von heute auf morgen geschehen. Havilland hatte etwas herausgefunden, und Argyll konnte es sich nicht leisten zu warten. Er muss sich das Geld binnen ein, zwei Tagen vor der Tat von der Bank – oder wo er es sonst aufbewahrte – geholt und den Mörder bezahlt haben. Das ist mein Fall, Monk. Ich habe Männer, die ich darauf ansetzen kann, und die nötige Vollmacht, um die Bankkonten oder was auch immer zu überprüfen. Ich werde herausfinden, wo und wie Argyll in der Woche vor dem Schuss auf Havilland jede einzelne Minute verbrachte. Und auch danach. Wenn er kein Narr war, wird er nicht das ganze Honorar vor der Tat gezahlt haben.«
»Was kann ich tun?« Diese Worte fielen Monk nicht leicht, aber er sah ein, dass Runcorns Plan vernünftig war. Er konnte seine Männer ausschwärmen lassen, und anders als Monk hatten sie
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