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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Vergangenheit erträglicher zu machen? Rührte ihre Bereitschaft zu vergeben daher, dass sie am eigenen Leib erfahren hatte, was es hieß zu scheitern? Mit aller Kraft hatte sie sich für die Klinik in der Portpool Lane eingesetzt, nicht nur, um die Bedüfnisse der Frauen wenigstens ansatzweise zu befriedigen, sondern auch ihre eigenen. Alles, was weniger war als voller Einsatz, konnte ihrem Anspruch an sich selbst nicht genügen. Und was ihn, Monk, betraf, beschützte er sie vor Gefahren von außen doch nur, weil er sich um sich selbst sorgte, da er nicht wusste, was aus ihm würde, falls er sie verlor. Er hatte all die schlaflosen Nächte in Erinnerung, in denen er sich ausgemalt hatte, in was für Gefahren sie schwebte. Aber mit seinem Verhalten tat er nichts anderes, als die Gefahr von innen zu vergrößern.
    Spontan legte er seine Hand auf die ihre und drückte sie sanft. Nach einem Moment antworteten ihre Finger. Er wusste, was dieses kurze Zögern zu bedeuten hatte: das Eingeständnis des Verlusts von etwas, das er ihr weggenommen hatte. Er würde es ihr zurückgeben müssen, so sehr er sich auch um sie oder um sein Leben ohne sie sorgen würde.
    In diesem Moment erklomm Runcorn die Wendeltreppe zum Zeugenstand. Er wirkte beklommen, obwohl er im Laufe der Jahre unzählige Male vor Gericht hatte aussagen müssen. Er war korrekt, um nicht zu sagen peinlich akkurat wie für einen Kirchgang gekleidet und hatte den steifen Kragen viel zu eng gebunden. Rathbones Fragen beantwortete er präzise, ohne etwas hinzuzufügen. Anders als Monk es von ihm gewohnt war, verriet seine Stimme Trauer, als wäre auch er in Gedanken nicht so sehr bei James Havilland sondern vor allem bei Mary.
    Nachdem Rathbone ihm gedankt und Platz genommen hatte, wandte sich Runcorn mit düsterer Miene Mr. Dobie zu, dem Vertreter des Angeklagten. Dieser erhob sich, strich seine Robe glatt und trat gemessenen Schrittes auf das Podest vor dem Richterpult. Er sah zum Zeugenstand hinauf und blinzelte Runcorn an, als sei er sich nicht ganz sicher, richtig zu sehen. Er war ein noch junger Mann mit weichem Gesicht und buschigen, dunklen Locken.
    »Superintendent Runcorn – das ist doch Ihr Rang, nicht wahr?« Er wirkte zurückhaltend, fast scheu.
    »Ja, Sir.«
    »Schön. Ihr Titel lässt darauf schließen, dass Sie bei der Untersuchung von gewaltsamen Todesfällen durch Unfall, Selbstmord und Mord über beträchtliche Erfahrung verfügen?«
    »Ja, Sir.«
    »Sind sie gut darin?«
    Runcorn starrte ihn verblüfft an.
    »Ich muss mich entschuldigen.« Dobie schüttelte den Kopf. »Diese Frage war nicht fair. Die Bescheidenheit verbietet eine ehrliche Antwort. Ich werde davon ausgehen, dass Sie erfahren sind.« Er blickte kurz zu Rathbone hinüber, als rechnete er mit einem Einspruch.
    Rathbone verzichtete aber erwartungsgemäß auf einen Protest. »Ich habe kein Problem mit Mr. Dobies Mutmaßung, auch wenn sie mir etwas voreilig erscheint.«
    Die Züge des Richters spannten sich an. Er spürte, dass Dobie seinen Gegner in Verlegenheit hatte bringen wollen.
    Auf der erhöhten Anklagebank, zu der die Zuschauer in der Galerie den Kopf verdrehen mussten, um etwas zu sehen, saß Aston Sixsmith regungslos da, die Hände um die Brüstung geklammert. Seine Knöchel waren weiß und seine Augen starr auf Dobie gerichtet.
    Dobie wandte sich wieder an Runcorn. »Dürfen wir vermuten, dass Sie den Tod von James Havilland sehr ernst genommen haben?«
    »Selbstverständlich.« Runcorn ahnte, worauf die Frage abzielte, hatte aber keine Möglichkeit, die Falle zu vermeiden. Er hatte schon vor langem gelernt, nur das Nötigste zu sagen.
    »Und Ihre Schlussfolgerungen lauteten auf Selbstmord?«
    »Ja, Sir, ursprünglich.« Runcorn zwang sich, keine Regung zu zeigen. Er stand da wie erstarrt.
    Dobie lächelte. »Ich werde Sie zu gegebener Zeit fragen, warum Sie es für nötig erachteten, Ihr Ergebnis zu überdenken. Sie erachteten das doch für notwendig, nicht wahr? Es steckte doch kein anderer Grund dahinter, der Sie veranlasste, einen abgeschlossenen Fall noch einmal aufzurollen? Ein Gefallen, der jemandem geschuldet wurde, oder ein Gefühl von Mitleid, zum Beispiel?«
    »Nein, Sir.« Doch Runcorns Miene verriet, dass seine Antwort nicht der ganzen Wahrheit entsprach.
    Monk rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum. Er hätte Runcorn so gerne geholfen, doch ihm waren die Hände gebunden.
    »Was führte Sie zu der Schlussfolgerung, dass Havilland sich selbst getötet

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