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Das dunkle Labyrinth: Roman

Das dunkle Labyrinth: Roman

Titel: Das dunkle Labyrinth: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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allein verstand wirklich, was sein Vorgänger am Ende geleistet hatte, er, Monk, der die Bürde einer weit größeren Schuld trug als die anderen.
    Sich zu korrigieren oder die Frage umzuformulieren war ausgeschlossen. Er musste die Situation auf eine andere Weise retten. So wandte er sich an Butterworth. »Mr. Clacton scheint nicht willens zu sein, die Namen zu offenbaren. Vielleicht sind es Freunde von ihm. Oder Informanten. Können Sie mich aufklären?«
    Clacton setzte zu einem Protest an, überlegte es sich aber anders, als er Monks Gesicht sah.
    »Jawohl, Sir!«, rief Butterworth mit einem mühsam verhohlenen Grinsen. »Unseres Wissens wurde niemand anderer verletzt. Keine Zeugen, die was zugeben wollten, aber wir wissen, für wen sie gearbeitet haben. War wohl eher eine persönliche Angelegenheit. Hatten sich nach’nem Streit schon seit Monaten beharkt. Hauptgründe waren wohl Suff und Groll.«
    »Rechnen Sie mit Rache?«, wollte Monk wissen.
    »Nein, Sir, aber wir werden die Augen offen halten.«
    »Sehr gut. Noch was?«
    Er hörte sich den Rest an, alles Kleinigkeiten, und entließ die Männer. Butterworth ging grinsend, Clacton mit finsterer Miene, die anderen mit ausdruckslosem Gesicht.
    Monk traf Orme in einem der kleinen Büros an.
    Der Sergeant sah von einem Bericht auf, an dem er gerade schrieb. »Morgen, Sir«, begrüßte er ihn mit ernster Miene. »Haben den Befund des Arztes über Miss Havilland und Mr. Argyll gekriegt. Nichts, was wir nicht schon vorher wussten, außer dass jetzt feststeht, dass sie kein Kind im Bauch trug. Sie war so, wie es sich gehört. War nie von’nem Mann berührt worden.« Ein Ausdruck von Trauer trat in seine Augen. »Heute Vormittag wird sie beerdigt. Die Schwester hat die Kirche nich’ mal um Hilfe gebeten und schon gar nich’ um ein ordentliches Grab. Ich schätze, sie hat es wegen ihres Vaters erst gar nich’ versucht. Arme Seele.«
    Monk setzte sich auf die andere Seite des kleinen Holztischs. Plötzlich wurde ihm schlecht. Es hatte keinen Zweck, gegen die Blindheit zu wüten oder sich über den Mangel an Mitgefühl oder die Arroganz der Richter zu empören, die Mary eine christliche Bestattung verwehrten. Nichts konnte helfen. Gottes Urteil über Mary oder sonst jemanden wurde ohnehin nicht durch menschliches Tun oder Versagen beeinflusst. Was Monk verabscheute, war die Rücksichtslosigkeit, mit der auf den Emotionen derer herumgetrampelt wurde, die sie geliebt hatten. Doch sein Zorn würde sie nur noch tiefer verletzen.
    »Danke«, sagte er leise. »Wo?«
    »Auf dem Acker vor dem Friedhof der St. Mary’s Church in der Princes Road«, sagte Orme mit belegter Stimme und senkte den Blick. »Das is’ gleich gegenüber dem Armenhaus von Lambeth.«
    »Danke«, wiederholte Monk.
    »Elf Uhr«, fügte Orme hinzu. »Sie werden noch Zeit für ein Gespräch mit Superintendent Farnham haben, bevor Sie gehen.«
    »Nein, das ist nicht möglich – ich möchte es auch dem Butler mitteilen und Superintendent Runcorn.«
    Orme machte ein ernstes Gesicht.
    »Sagen Sie Mr. Farnham bitte, dass ich ihn aufsuche, sobald ich wieder da bin.«
    »Ja, Sir.« Orme zögerte. »Meinen Sie etwa Superintendent Runcorn von der Metropolitan Police?«
    »Ja. Er war der Beamte, der James Havillands Tod untersuchte.« Monk erzählte Orme, was er von Runcorn erfahren hatte und wie deutlich seinem früheren Kollegen nicht nur die Trauer über Marys Tod anzumerken gewesen war, sondern auch das Widerstreben, an Selbstmord zu glauben.
    »Aber es hat doch keinen Zweifel gegeben, dass Marys Vater sich umgebracht hat«, sagte Orme ruhig. Seine runden blauen Augen verrieten keine Hoffnung, dass Monk sich irren könnte, verhehlten aber keineswegs seine Enttäuschung.
    »Nein, nichts dergleichen«, räumte Monk ein. »Nur dass sie das nicht glaubte. Sie war sich sicher, dass er ein Kämpfer war und unter keinen Umständen aufgegeben hätte.«
    Ormes Züge strafften sich. »Na ja, sie war bestimmt keine von denen, die so schnell glauben, dass ihr eigener Vater sich die Kugel gibt. Vielleicht hat sie sich geweigert, so lange es nur ging, bis sie irgendwas erfahren hat, das ihr jede Hoffnung genommen hat. War es vielleicht das, was sie zerbrochen hat?« Er starrte die Tischplatte an. »Armes Ding«, murmelte er zärtlich. »Armes, kleines Ding.«
    War es das, was ihn selbst umtrieb, überlegte Monk. Handelte er jetzt in Marys Sinn, die er nicht gekannt hatte und die er sich nur aufgrund äußerst

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