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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjarne Reuter
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immer auf Kipp.
    Eva sah die Mädchen in der Türöffnung an.
    »Ihr seht es ja. Keine Menschenseele.«
    »Aber hier war jemand, Eva, wir haben es beide gehört.«
    »Habt ihr sie gesehen?«
    Vibe schüttelte den Kopf.
    »Aber wir haben sie gehört. Männer, die miteinander geredet haben.«
    »Worüber?«
    »Über den Wind.«
    »Über den Wind?«
    Vibe sah Tineke an und die sagte, sie glaube, es sei über den Wind geredet worden.
    »Sicher sind sie wieder gegangen«, sagte Vibe.
    »Hier war nie irgendwer«, fauchte Eva.
    »Aber wir haben doch gehört   …«
    »Ja. Das sagt ihr. Aber hier war nie jemand. Es ist die Atmosphäre.«
    »Die Atmosphäre?«
    »Ja, die Stimmung. Das hier ist ein altes Haus. Das Holz arbeitet, bewegt sich.«
    Eva schloss die Augen und holte tief Luft.
    »Das ist nichts Schlechtes. Nur anders. Häuser werden wie die Menschen, die darin gewohnt haben. Man drückt ihnen einen Stempel auf.«
    Die Mädchen wechselten einen verstohlenen Blick.
    »Aber wer hat in diesem Haus gewohnt?«, flüsterte Vibe.
    »Das weiß ich leider nicht. Und eigentlich glaube ich nicht, dass es   … aber sicher hat es nicht leer gestanden, seit   …«
    Eva verstummte. Irgendetwas sickerte herein. Sie drängte den Gedanken weg, aber der blieb hartnäckig: Irgendetwassickerte gerade in dieses Haus. Man konnte es hören. Man konnte es nicht überhören. Es sickerte, zitterte und tropfte. Das Wort kam ganz von selbst: Verwandlung. Aus Gründen, die sie nicht erklären konnte, erfüllte das Eva mit Angst. Aber so war es eben, das Haus verwandelte sich. Und die Verwandlung hatte eingesetzt, als sie die Tür geöffnet hatte. Als die Blenden im Wohnzimmer zur Seite geglitten waren.
    »Wir sind müde«, sagte sie. »Morgen, wenn wir ausgeschlafen und klar im Kopf sind, reden wir weiter. Aber ihr seht ja, dass in der Küche keine Männer sind.«
    »Dürfen wir bei dir schlafen, Eva?«
    »Wir können auf dem Boden schlafen.«
    »Wenn ihr nur nicht schnarcht.«
    »Merci, Eva, merci.«
    Sie sah sie die Treppe hochjagen und hörte ihre Schritte im Gang.
    Danach schloss sie das ovale Fenster, das auf das Meer schaute. Ein wenig frische Luft tat gut, aber der Geruch war unverkennbar. Jemand hatte in diesem Zimmer geraucht. Jemand hatte Zigarillos geraucht. Sie wusste ganz genau, dass der scharfe Geruch von einem Zigarillo stammte. Aber das konnte doch nicht stimmen. Sie war hier die Einzige, die rauchte, und sie rauchte keine Zigarillos, und sie rauchte auch nie, wenn die Kinder in der Nähe waren.
    Aber nicht das hatte sie zum Bleiben veranlasst. Sondern die Geräusche von unten. Vibe und Tineke waren zuaufgeregt gewesen, um das zu begreifen. Aber jemand hielt sich im Keller auf.
    Hol Bromsen. Weck alle im Haus. Geht gemeinsam nach unten. Macht dem Spuk ein Ende!
    Du machst dich lächerlich. Du wirst den letzten Rest Würde einbüßen. Nicht nur in Bromsens Augen, sondern auch in denen der Kinder.
    Der Keller würde ebenso leer sein wie die Küche.
    Geh rauf und leg dich hin. Geh zu den Mädchen! Im tiefsten Herzen bist du ja froh darüber, dass du nicht allein schlafen musst. Schlaf einfach aus. Das brauchst du.
    Aber in der Küche hatte jemand Zigarillos geraucht.
    Tineke und Vibe hatten nicht denselben Albtraum.
    Und du hast aus dem Keller ein Geräusch gehört.
    Etwas, das über den Boden schrappte.
    Ein schleppendes Geräusch.
    Das ließ sich nicht abstreiten.
    Wer war da unten?
    Sie ging hinaus in die Halle und öffnete die Kellertür, starrte die lange gewundene Treppe an, die ausgetretenen Stufen und die unversehrte Wand. Konnte das ewige Blubbern aus dem Becken im hintersten Raum hören.
    Sie stellte den Fuß auf die oberste Stufe. Umklammerte das Geländer und ging bis zu der Stelle, wo die Treppe abbog.
    Das Licht der Taschenlampe legte sich wie ein gelber Kegel über den schwarzen Boden.
    Stille.
    Sie ging bis zum Ende der Treppe und leuchtete von Wand zu Wand, blieb aber bei der blanken Messingmaske haften, die nicht an ihrer üblichen Stelle lag.
    Eva trat einen Schritt vor und leuchtete in ein längliches Loch mitten im Kellerraum. Sie wusste, dass sie Max Savannahs Grab anleuchtete. Jemand hatte die Platte weggeschoben. Falls der Tote nicht auferstanden war. Diese Vorstellung war entsetzlich und ließ ihr alles Blut aus dem Kopf strömen. Sie kam sich undicht vor und wich einen halben Meter zurück.
    Merkte, wie ihre Beine nachgaben.
    Der Lichtkegel irrte über die Wand.
    Er hatte etwas gestreift.
    Irgendetwas

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