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Das dunkle Lied des Todes

Das dunkle Lied des Todes

Titel: Das dunkle Lied des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bjarne Reuter
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auf den Tresen und lächelte.
    »Das ist heute ja vielleicht ein Wetter.«
    »In dieser Gegend ist das nicht ungewöhnlich.«
    »Nein, das wohl nicht. Das ist den Bäumen anzusehen. Ich könnte mir vorstellen, dass es noch viel schlimmer sein kann.«
    »Viel schlimmer. Womit kann ich behilflich sein?«
    »Eine Packung Senior Service.«
    »Gerne.« Sie lehnte sich an den Tresen und lauschte auf den fernen Klang eines Transistorradios. Es spielte ein Lied, das sie als
Wer hat die Kokosnuss geklaut?
identifizieren konnte.
    Wenn er keinen Whisky hat, dachte sie, dann nehmeich einen Wodka, und wenn ihm ausnahmsweise der Wodka ausgegangen ist, dann bitte ich um eine Flasche weißen Rum.
    Sie summte zu dem alten Schlager aus dem Hinterzimmer mit, als ihr Blick auf das Regal über den Konserven fiel.
    Sie tippte auf fünfzig Flaschen.
    Allesamt Jim Beam.

13
    Sie fragten, ob sie eine Fotokopie machen dürften. Zwei höfliche Jungen und ein reizendes Mädchen.
    Møller, Teilzeitangestellte
     

    Sie hatte die Füße auf den Tisch gelegt, hatte die Augen geschlossen und spürte, wie sich die Ruhe in ihrem Körper verbreitete. Sie saßen in Bromsens Kammer. Auf dem Tisch standen die Whiskyflasche und zwei Gläser.
    Eva lächelt.
    »Die erste Phase eines kontrollierten Besäufnisses hat untrügliche Kennzeichen: ein Gefühl von Großmut, Wohlbefinden und ein kleines, in sich gekehrtes Lächeln, das aus dem Mund einen türkischen Halbmond macht.«
    »Wenn du meinst.«
    »So fühle ich mich gerade.«
    Eva seufzte. Es ging ihr wunderbar. Ob Bromsen auch leicht benebelt war, wusste sie nicht, es war ihr auch egal. Es ging auf Mitternacht zu, die Schüler waren in ihren Zimmern, niemand machte Lärm, alles war so, wie es sein sollte.
    Eva legte den Kopf in den Nacken und reckte sich.
    »Ich weiß, woran du denkst«, sagte sie.
    »Woran denke ich?«
    »Du denkst, dass ich jetzt wieder in die Tonne falle.«
    Bromsen lächelte.
    »Genau das habe ich gedacht, aber dir ist das vielleicht egal?«
    »Nein, es ist mir nicht egal. Im Gegenteil, aber ich brauchte eine Stärkung. Das ist das Gefährliche am Alkohol, man glaubt immer, eine Entschuldigung zu haben. Redet sich ein, man habe die Sache doch im Griff, könne jederzeit aufhören. In meinem Fall musste etwas Besonderes passieren. Beim Fußball würde man wohl sagen, dass ich die Gelbe Karte bekommen habe. Die knallgelbe Karte.«
    »Möchtest du darüber sprechen?«
    Eva schenkte sich nach.
    »Eigentlich nicht.«
    »Tu es trotzdem.«
    Sie lächelte ein wenig sarkastisch vor sich hin, legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke hoch.
    »Ich hatte eine erste Klasse, drei Kinder waren überaus begabt und erhielten anderswo in der Stadt zusätzlichen Unterricht. Ich bot an, sie jeden zweiten Donnerstag hinzufahren. Drei kleine Wichte mit drei kleinen Geigenkästen. Sie saßen hinten in meinem alten Citroën. Ich kannte den Weg wie meine Westentasche, es war nicht viel Verkehr. Die Fahrt dauerte an die fünfzehn Minuten. Das Problem war nur, dass ich nicht nüchtern war. Das heißt, betrunken war ich nicht, auch wenn ich die Hälfte meiner Tagesration getrunken hatte, eine halbe Flascherussischen Wodka. Unterwegs nahm ein Lieferwagen mir die Vorfahrt und der Fahrer übernahm die Verantwortung für den Unfall. Mein Auto wurde zusammengepresst und ich erlitt eine Gehirnerschütterung, aber die Kinder kamen mit Schürfwunden davon. Die Ärzte sagten, ich hätte Glück gehabt. Vierzehn Tage später konnte ich wieder arbeiten, das tägliche Einerlei ging wieder los, aber nach und nach ahnte ich, was meine Kollegen dachten: Ist sie in angetrunkenem Zustand mit den Kindern losgefahren? War die Alte so zugeknallt wie sonst auch?«
    Eva seufzte. »Es war ja nicht meine Schuld, so rein verkehrstechnisch, ich musste auch nicht ins Röhrchen blasen, und ich weiß alles noch, als wäre es gestern gewesen. Der Lieferwagen, der auf die Kreuzung fuhr. Ich sah ihn deutlich und hätte jede Menge Zeit zum Bremsen gehabt, aber das tat ich nicht. Meine Reaktionsfähigkeit schwamm in russischem Wodka. Ich sah die Katastrophe kommen und ich fuhr mit drei kleinen Kindern auf der Rückbank hinein. Aber der Alltag geht ja weiter. Man zieht sich aus dem Sumpf und denkt, jetzt hätte man es geschafft. Aber das hat man nicht. Die Schule kehrte mir den Rücken zu: die Lehrerkollegen, der Chef, die Sekretärin. Ein Kollege nahm mich eines Tages beiseite und gab mir die Adresse einer Klinik auf Lolland. Ich war drei

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