Das dunkle Netz der Lügen
keinen Schnaps, was?»
«Nein. Ich darf ein Glas Wein trinken, an Feiertagen.»
«Erzähl mir mal – wie ist es so bei dir zu Hause?»
«Langweilig. Da gibt es nichts Besonderes.» Emil nahm noch einen kleinen Schluck.
«Vielleicht finde ich es gar nicht so langweilig.» Pepi schien ehrlich interessiert. Und so begann Emil zu erzählen, wie es im Hause Kaufmeister zuging, von seinem braven Cousin und den Cousinen, von seinem noch braveren Bruder Josef, den Onkeln und Tanten und dem Reederei- und Handelsgeschäft und der Eisengießerei in Hochfeld.
Manchmal stellte Pepi Fragen, aber Emil merkte kaum, wiedie Zeit verging. Das Glas war leer, er goss sich nochmal nach, obwohl Pepi ihn daran hindern wollte. Irgendwann merkte er, dass ihm das Reden schwerfiel.
«Bei mir dreht sich alles», sagte er und lachte, ohne genau zu wissen, warum.
Commissar Borghoff, Inspektor Ebel und zwei Polizeidiener, die eigentlich Schreibdienst hatten, begannen am frühen Nachmittag die Durchsuchungen der zwielichtigen Gasthäuser in der Altstadt. Sie drangen in jedes Gastzimmer ein, aber außer unglaublich viel Dreck und Überfüllung der einzelnen Räume konnten sie nichts Auffälliges feststellen. Sie schrieben die Namen der Gäste auf, ihre Ankunftsdaten, wie sie eingereist waren. Später sollten diese Aufzeichnungen mit den Listen von den Kontrollpunkten verglichen werden.
Auch die Wirte wurden nochmals befragt. Den Männern gingen die ständigen Polizeidurchsuchungen gründlich gegen den Strich. Gewöhnlich drückte die Polizei bei vielen kleinen Vergehen ein Auge zu, solange niemand ernsthaft zu Schaden kam. Jetzt konnte keiner seinen kleinen Nebengeschäften nachgehen, weil ständig eine Kontrolle drohte.
Im vierten Gasthaus war dem Wirt Friedhelm Becker etwas aufgefallen. Er griff in seine Kasse und holte ein Geldstück heraus: einen österreichischen Gulden. «Ich musste erst mal jemanden nach der Umrechnung fragen», erklärte er.
«Wer hat damit bezahlt?», fragte Ebel. «War es Walther Jansen?»
«Jansen? Sitzt der nicht?»
«Ja, aber erst seit ein paar Tagen.»
Becker schüttelte den Kopf. «Nein, er ist schon länger nicht mehr hier gewesen. Und ich könnte mich auch nicht daran erinnern, wann der mal mehr als ein paar Groschen in der Tasche hatte.» Er beugte sich über die Theke. «Damit hat gesternAbend so ein großer Kerl bezahlt. Riesig war der, Hände wie Bratpfannen und angezogen wie ein Geck.»
Borghoff wandte sich an Ebel. «Mal sehen, ob sich jemand an ihn erinnert. So einer müsste ja auffallen.»
Ebel war skeptisch «Aber es ist ja nicht strafbar, mit fremdem Geld in einer Kneipe zu bezahlen.»
«Wenn es das gleiche Geld ist wie das, was wir bei Jansen gefunden haben? Wir müssen auch den Mord an Anna aufklären, Ebel, vergessen Sie das nicht.»
Er wandte sich wieder an den Wirt. «Sie sprechen doch manchmal mit den anderen Wirten. Sind bei denen auch diese Gulden aufgetaucht?»
«Darüber wurde nicht geredet. Nur über die vielen Durchsuchungen in letzter Zeit. Das bringt Unruhe in die Altstadt, verstehen Sie?» Becker grinste Robert an, der nickte.
«Solange wir die Morde und die Diebstähle nicht aufgeklärt haben, wird das so weitergehen, Herr Becker. Deshalb wäre es gut, wenn Sie und alle Wirte hier uns über alles Auffällige unterrichten. Jeder Hinweis ist wichtig. Und je eher wir die Täter finden, desto schneller kehrt hier wieder der alte Trott ein.»
Becker schnaubte abfällig. «Ich glaube eher, Sie gewöhnen sich an die neuen Sitten. Ihnen persönlich gefällt es doch ohnehin nicht, wenn wir alle hier unsere Geschäfte machen.»
«Da haben Sie schon recht. Ich würde hier sehr gerne einmal aufräumen. Aber wir alle wissen, dass dem Grenzen gesetzt sind. Wenn Sie mit uns zusammenarbeiten, gehen die schlechten Zeiten schneller vorbei.» Robert ging zur Tür.
«Herr Commissar!», rief Becker.
«Was ist mit meinem Gulden?»
«Kommen Sie morgen aufs Rathaus, dann bekommen Sie den Gegenwert ausgezahlt.»
«Ich verstehe das nicht», sagte Ebel, als sie wieder auf derStraße standen. «Wenn die Leute die Stadt nicht verlassen haben, muss es doch irgendwo eine Spur geben.»
«Das waren erst die vier größten Gasthäuser, Ebel. Sie haben ja noch die kleineren, die Bordelle und die privaten Pensionen vor sich.»
«Geschweige denn die übrigen Vermieter …», seufzte Ebel. Er schien seine gute Idee inzwischen zu bereuen.
«Machen Sie weiter. Ich habe noch etwas zu
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