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Das Dunkle Netz Der Rache

Das Dunkle Netz Der Rache

Titel: Das Dunkle Netz Der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Auge auf die Straße und das andere auf den Rückspiegel gerichtet, trat er das Gaspedal durch.
    Als er die Kreuzung vor sich sah, stieg er auf die Bremse und bog schleudernd ab. Sofort trat er wieder aufs Gaspedal und brauste über die verlassene Straße, und als er den Verkaufstand eines Hofes mit dem Schild Im Winter geschlossen entdeckte, zögerte er nicht. Er fuhr schleudernd in die U-förmige Zufahrt und holperte über totes Gras, um hinter dem kleinen Holzgebäude zu parken. Er stellte den Motor ab und kurbelte das Fenster herunter.
    Die Sirene heulte durch die rasch abkühlende Luft, schwach und immer schwächer. Er wartete mit klopfendem Herzen, bis er nichts mehr hörte. Dann ließ er den Wagen wieder an und fuhr zur Route 57 zurück.
    Die Idee war ihm schon gekommen, als Lisa noch über ein Versteck in der Jagdhütte eines Kumpels oder einem Stundenmotel geredet hatte. Das Problem an diesen Vorschlägen lag seiner Ansicht nach darin, dass immer jemand wissen würde, wo er war. Aber es gab einen Ort, zu dem er fahren konnte – zumindest heute Nacht –, den niemand kannte. Er hätte nicht daran gedacht, wenn er nicht vor kurzem in der Fabrik gewesen wäre.
    Die alte Fabrik. Er konnte den Wagen auf dem regulären Angestelltenparkplatz abstellen. Niemand würde darauf achten – dort standen immer PKWs und Geländewagen herum, und falls jemandem auffiel, dass sein Pick-up dort parkte, er aber nirgends zu sehen war, würde man es auf eine Panne schieben. Dann konnte er zur alten Mühle hinüberschleichen und sich verstecken.
    Er grinste. Das würde Lisa gefallen. Es war das perfekte Versteck. Dort ging nie jemand hin. Niemand würde jemals auf die Idee kommen, dort zu suchen.

16:30 Uhr
    Obwohl sie die Badezimmertür fest geschlossen hatte, um die dampfende Wärme nicht entweichen zu lassen, hörte sie, wie sich die Küchentür öffnete, als sie die Dusche abstellte. Das Pfarrhaus war alt, und es knarrte und krachte und ächzte bei jeder Änderung des Luftdrucks, sei es durch das Öffnen einer Tür, Schritte auf dem Fußboden oder einer Treppenstufe. Lieber Gott, hoffentlich war das nicht Diakon Aberforth, zurück zur zweiten Runde. Schon beim ersten Mal war sie nur mit knapper Mühe entronnen, als er sie gefragt hatte, wovor sie sich fürchtete. Sie hatte etwas über die Spendensammlung für Dachreparaturen gestammelt und ihn aus der Tür geschoben.
    Doch nein, sie konnte sich nicht vorstellen, dass Aberforth einfach so eintrat. Es musste Hugh Parteger sein, der auf dem Weg zu seiner Unterkunft für die Nacht vorbeischaute. Sie war überrascht gewesen, dass er noch nicht eingetroffen war; denn obwohl Millers Kill in jeder Hinsicht Lichtjahre von New York entfernt war, dauerte die Fahrt doch nur vier Stunden.
    Sie griff nach einem Handtuch und beugte sich vor, um ihre Haare in einen Frotteeturban zu wickeln. Sie nahm ihren Bademantel vom Haken, schlüpfte hinein und knotete ihn sorgfältig zu. In einer Wolke von Dampf trat sie aus dem Bad und betrachtete sich im Spiegel am Treppenabsatz. Von Kopf bis Fuß in Weiß gehüllt, sah sie aus, als wollte sie sich als Statistin für ein Remake von Die Mumie bewerben. Hugh würde sich amüsieren. Schnell rubbelte sie ihre Haare und warf das Handtuch über das Geländer.
    Sie tappte die Stufen hinunter. »Hallo?«, rief sie.
    »Bist …«
    Russ stand neben dem Couchtisch.
    »… du’s?«, endete sie kleinlaut.
    »Äh«, sagte er. »Ähm, ich komme gerade von der Rechtsmedizin …« Seine Stimme erstarb. Er hielt ein Foto von ihr mit ihrer Familie in der Hand, eine Aufnahme aus dem letzten Sommer, als sie für zwei Wochen nach Virginia entkommen war. Er versuchte, es zurückzustellen, sah aber sie statt seiner Hand an und stieß mit dem schweren Silberrahmen zwei andere um.
    Das erregte seine Aufmerksamkeit. Er riss seinen Blick von ihr los, begann, die Fotos wieder aufzustellen, und warf in seiner Hast, alles in Ordnung zu bringen, drei weitere um. »Entschuldigung«, sagte er. Sie hätte schwören können, dass er errötete.
    »Schon okay«, sagte sie. »Ich sollte sowieso nicht so viele auf den Tisch stellen. Die müssen ja umfallen.« Ein Teil von ihr dachte, wie erfreut Großmutter Fergusson wohl wäre, wenn sie hören könnte, wie sie sich selbst die Schuld gab, eine brave Südstaatenschönheit. Der andere Teil dachte daran, dass sie unter ihrem Bademantel nackt war.
    Dieser Gedanke schien Russ ebenfalls gekommen zu sein, denn als er sich zu ihr umdrehte, schaute

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