Das dunkle Universum 3 - Im Sog der Zeit
könnt in dieser bedauerlichen Angelegenheit von einiger Hilfe sein. Euer Kollege hier war gerade im Begriff, gesetzwidrig zu handeln. Als einen Konstabler dieser Stadt möchte ich Euch bitten, darauf zu achten, dass das Gesetz für alle die gleiche faire Anwendung findet.«
»Mit Vergnügen.«
Meister Cherix winkte Pocklan heran. »Bitte kommt jetzt ruhig weiter über die Brücke, mein lieber Junge. Da, wie Ihr gehört habt, der Waterwalker selbst für Eure Rechte garantiert, seid Ihr vollkommen sicher.«
»Meintet Ihr eine Ermächtigung wie diese?«, fragte Edeard unschuldig. Er zog eine Pergamentrolle aus seinem Waffenrock hervor.
Meister Cherix’ schmieriges Lächeln verblasste, als er zu lesen begann. »Aber diese Ermächtigung benennt –«
»Euch.« Edeard lächelte. »Ja. Und von daher bin ich befugt – von Rechts wegen – euch so rasch wie möglich aus Jeavons hinauszugeleiten.« Er streckte seine dritte Hand aus.
Meister Cherix schrie bestürzt auf, als seine Füße sich vom Boden erhoben. Der Schrei verwandelte sich in nackte Panik, je weiter er emporstieg. Mit angehaltenem Atem sah die Menge dabei zu, wie der Advokat über die Brücke schwebte und immer weiter an Höhe gewann.
»Lass mich runter!«, kreischte Cherix mit seiner Stimme und mit Longtalk. Nun war er schon höher als die Gebäude jenseits der Promenade; höher noch als die weißen Metallpfeiler, die Golden Park säumten. Und immer noch stieg er unaufhörlich in den Himmel auf. Die beobachtenden Ge-Adler mussten ein paar scharfe Kurven fliegen, um ihm auszuweichen.
»Habt ihr irgendwas gehört?«, fragte Edeard.
»Er hat gesagt, du sollst ihn runterlassen«, erklärte ihm Kanseen mit gewichtiger Miene.
»Oh, na gut«, sagte Edeard. Er ließ los.
Mit einem irgendwie abgehackt klingenden Schrei fiel Cherix vom Himmel. Und landete mit einem gewaltigen Platscher mitten im Birmingham Pool. Ein Schauspiel, das die Menge mit wildem Jubel goutierte.
Chae wandte sich wieder zu Pocklan um. »Wo waren wir noch gleich stehengeblieben?«
Wütend funkelte Pocklan den Sergeant an; dann warf er einen Blick über die Schulter auf die Stelle, wo ein gleichgültig wartender Edeard stand. Wortlos drehte er sich wieder um und führte seine Spießgesellen nach Golden Park zurück.
Macsen legte Edeard seinen Arm um die Schulter und drückte ihn kräftig. »Sag mal, was glaubst du, wie es kommt, dass Leute, die du nicht magst, zu guter Letzt immer im Birmingham Pool versenkt werden?«
»Nostalgie.«
Schon den ganzen Winter über hatte sich Edeard auf das Geleitfest der Herrin gefreut. Seine Freunde ebenso wie die Mädchen, denen er begegnete, schwärmten immer nur in den höchsten Tönen davon. Zunächst einmal zeigte das Fest den Beginn des Sommers an, der, jedenfalls soweit es ihn betraf, gar nicht schnell genug kommen konnte.
Doch der Hauptanlass war der, sich all jener zu erinnern, die im vorangegangenen Jahr dahingeschieden waren. Jeder, der jemanden verloren hatte, würde eine kleine Gedenkbarke aus Blumen herrichten – alle Farben waren hier erlaubt, außer Weiß. Es waren hauptsächlich die Kinder der Familien, die sie fertigten und dabei kunstvolle, farbenprächtige Barken schufen, die Längen bis zu einem Meter erreichten. Die Blumenboote repräsentierten die Seelen der Verstorbenen.
Mittags würde die Pythia einen Gedächtnisgottesdienst in der Kirche der Herrin in Eyrie abhalten. Anschließend würden die Blumenbarken in die Stadtkanäle gesetzt und von den Gondolieri, geschmückt mit weißen Blumen und der Toten gedenkende Loblieder singend, zum Hafen hinab geleitet werden. Gondeln stellten die Skylords dar, die, wie die Herrin verhieß, dereinst wieder nach Querencia kommen würden, um die Seelen der Menschen in die erlösende Umarmung von Odins See hinaufzuführen. Am Hafen würde die Prozession der Gondeln dann enden, während die Blumenboote weitertrieben, hinaus auf das wogende offene Meer.
Das alles klang einfach herrlich; vor allem, da am Abend noch ein gigantisches Fest stattfinden sollte. Und nun war der Tag endlich da, und Edeard döste unruhig vor sich hin, während draußen das Morgengrauen einem heiteren Himmel wich, der das beste Wetter für die große Feier versprach. Hauptkonstabler Walsfols Longtalk drängte sich schrill in seine Gedanken. »Äh, ja, Sir?«, erwiderte er matt, während der Bodensatz eines weiteren bizarren Traums im Nichts versickerte. Er hatte gar nicht gewusst, dass der Mann einen so
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