Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
böse an. »Geoffrey respektiert mich tatsächlich. Ganz im Gegensatz zu den Anwesenden hier. Vielleicht sollte ich besser wieder in meine Wohnung zurückkehren. Rhiannon, komm mit mir. Lass uns verdammt noch mal von hier verschwinden und den möglichen Schaden begrenzen.«
Sie schüttelte den Kopf und wich langsam vor seiner ausgestreckten Hand zurück. »Leo, was soll das? Die Sache nimmt uns alle mit, das weiß ich, aber in diesem Haus wird keine Frau geschlagen. Cicely, ist mit dir alles okay?«
Ich nickte. Mein Kiefer tat weh, aber es war immerhin kein echter Haken gewesen. »Ja, alles klar.«
Leo blickte auf den Tisch. Nach einem Augenblick sagte er: »Ich weiß, das war unentschuldbar. Ich kann auch nichts rückgängig machen, Cicely, aber bitte glaub mir, ich wollte dich wirklich nicht schlagen. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist …«
»Du solltest jetzt gehen …«, begann Rhiannon, aber ich schüttelte den Kopf.
»Nein.« Ich trat zwischen sie und ihn und sah ihn böse an. »Ich würde dich wirklich liebend gern in den Hintern treten, Leo, aber wir können es uns nicht leisten, unsere Gruppe aufzuspalten. Myst würde dich sofort holen. Du arbeitest nicht nur als Tagesbote für die Vampire, sondern bist, wie sie annehmen muss, auch noch ein Freund von mir. Ich bin mir nicht länger sicher, ob das wirklich so ist, aber du wärst eine echte Zielscheibe, wenn du auf eigene Faust arbeiten würdest. Allerdings sollte dir eins klar sein: Ich werde Grieve retten, wenn ich eine Chance dazu kriege. Am besten lernst du, deine Angst zu überwinden, und akzeptierst es.«
In ihm arbeitete es sichtlich, doch schließlich senkte er den Kopf und nickte. »Es gefällt mir nicht. Und ich werde auch nicht so tun, als ob.«
»Das musst du auch nicht. Du musst nur am Leben bleiben, und hier, bei uns, sind deine Chancen am größten, kapiert?«
Rhiannon hatte mit vor der Brust verschränkten Armen zugehört und ihn angesehen, und nun wandte sie sich Kaylin zu. »Also, Kaylin, du hast es gehört. Hilfst du uns?«
Er schnaubte. »Von mir aus.«
Prüfend betrachtete ich sein Gesicht. Der alte Kaylin hätte Einwände vorgebracht, aber den neuen schien das ganze Geschehen kalt zu lassen. Es kam mir vor, als hätte man uns mit einem Mal auf Treibsand abgesetzt: Die Landschaft veränderte sich, noch während wir uns hindurchbewegten. »Danke.«
»Kein Problem.« Er nahm ein weiteres Stück Pizza und legte es auf seinen Teller. »Vielleicht solltest du dir das Blut aus dem Gesicht wischen.«
Ich tastete nach meiner Wange. Wo Leo mich geschlagen hatte, war ein dünnes Rinnsal zu spüren. Ohne ein Wort verließ ich den Raum und ging ins Bad. Er hatte einen Ring getragen, der auf meiner Wange eine Schramme hinterlassen hatte. Während ich sie reinigte und eine antiseptische Tinktur auftrug, überlegte ich, ob Myst sich vielleicht einfach nur zurücklehnen und zusehen musste, wie wir uns selbst in Stücke rissen.
Als ich in die Küche zurückkehrte, sprach Leo leise auf Rhiannon ein, die den Kopf schüttelte. Nach einer Weile nahm er seinen Mantel und zog ihn sich über.
»Ich muss arbeiten.«
»Wirst du es Geoffrey erzählen?«, verlangte ich zu wissen. »Und sag mir die Wahrheit.«
Eine lange Zeit antwortete Leo nicht. Dann zuckte er mit den Achseln. »Im Augenblick nicht. Nein, ich sage nichts. Aber du hast nicht alle Tassen im Schrank. Und ich will damit nichts zu tun haben.« Und damit ging er auf die Tür zu. Doch bevor er hinausmarschieren konnte, klingelte sein Telefon, und er ging dran, lauschte einen Moment, dann klappte er es zu.
»Mist, wir haben ein Problem.« Er blickte aus dem Fenster. »Es dämmert, aber es ist noch nicht dunkel genug, dass Geoffreys Leute etwas unternehmen könnten.«
»Was ist denn los?«
»Vampirfeen, offenbar unterwegs zu Anadey’s Diner und wahrscheinlich in Lichtraserei.«
»Mutter!« Peyton riss ihren Mantel an sich, und ich war direkt hinter ihr. Ohne ein weiteres Wort hasteten wir hinaus in die zunehmende Dunkelheit.
Ich trat das Gaspedal durch, und schleudernd bogen wir auf den Parkplatz vor dem Anadey’s ein. Die Tür stand einen Spalt offen, und man hörte den Krawall im Innern. Ich riss den Fächer aus der Tasche, während Peyton bereits auf den Eingang zurannte und sich im Laufen in ihre Pumagestalt verwandelte.
Leo griff in die Tasche seines Trenchcoats, und ich stieß zischend die Luft aus, als er eine Beretta hervorholte – anscheinend eine M92, wenn ich
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