Das dunkle Volk: Eishauch: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Lebensspanne.«
»Ach du Schande«, brach es aus Rhiannon heraus. »Wenn wir Grieve also nicht retten … wenn Myst ihn umbringt …«
»Dann bringt Myst auch Cicely um. Deswegen hat sie Grieves Peitschenhiebe aushalten müssen. Und wenn sie verwundet wird, ist Grieve es, der die Schmerzen spürt.« Chatter sah mich unglücklich an. »Als Grieve mir verriet – als Shy –, dass er den Trank nehmen wollte, versuchte ich ihn davon abzubringen, aber er hörte nicht auf mich. Er war blind für die Vernunft, denn das Gift aus deinem Biss hatte ihn verhext.«
Mein Atem ging plötzlich schwer. Nein. Nein! Das konnte doch nicht sein. Ich hatte ihn verzaubert? »Wir liebten uns«, brachte ich heiser hervor.
»Ja, das habt ihr, so wie ihr euch jetzt liebt. Und es überrascht mich, dass du dieses Mal so gefasst damit umgehst. Aber Kaylin hat dennoch recht. Diesmal bist du diejenige, die berauscht ist. Du kannst nicht anders, genau wie er damals nicht anders konnte. Noch ein paar Bisse mehr, und dein Verstand ist vielleicht nicht mehr in der Lage, nüchtern zu urteilen.«
Das allerdings jagte mir eine Heidenangst ein. Ich ließ mich auf den Stuhl fallen. »Wie kann ich einen halbwegs kühlen Kopf bewahren? Was soll ich tun?«
»Wir können es mit einer Art Gegenbann versuchen.« Kaylin hob die Schultern. »Es gibt ein paar starke Zaubersprüche, die die Wirkung des Gifts vielleicht aufheben, ohne eure Verbindung zu trennen. Leo hat diesen Gedanken mir gegenüber bereits angesprochen. Er meinte, Anadey wüsste vielleicht eine Möglichkeit. Er hat mich gebeten, das Thema anzuschneiden, da er befürchtete, auf ihn würdest du wohl eher weniger hören.«
Das war ein Gedanke, der mich noch mehr erschreckte, aber je länger ich darüber nachdachte, umso sinnvoller erschien es mir. Ich liebte Grieve, aber meine Besessenheit konnte meine Freunde in ernste Gefahr bringen. »Also gut. Ich spreche mit ihr. Aber verdammt noch mal, das gefällt mir gar nicht.«
»Kann ich verstehen. Aber du brauchst keine Angst zu haben, dass ihr eure Verbindung verliert. Nach dem, was Chatter sagt, geht es gar nicht. Ob es dir gefällt oder nicht, ihr zwei gehört zusammen.«
Ich nahm das Telefon, obwohl ich Anadey nach dem, was heute Abend im Diner geschehen war, eigentlich lieber nicht belästigt hätte, aber die Sache war zu wichtig, um sie aufzuschieben. Während ich die Nummer eingab, wurde mir bewusst, wie sehr ich mich davor fürchtete, etwas gegen Grieves Bann über mich zu unternehmen. Was, wenn Chatter sich irrte? Wenn meine Liebe zu ihm schwand? Was, wenn ich herausfinden musste, dass das Gift seiner Zähne die einzige Verbindung war, die wir besaßen? Und es mich ohne diesen Rausch einen feuchten Dreck kümmerte, ob er lebte oder starb?
Anadey nahm den Hörer ab, und ich erklärte ihr, was ich wollte. »Leo sagte, du könntest vielleicht helfen. Was meinst du – kannst du?« Ich hielt den Atem an und hoffte, dass sie nein sagen würde.
»Ich glaube schon. Wenigstens kann ich es versuchen. Am besten kommst du zu mir, dann sehe ich, was ich tun kann.« Sie klang unglaublich müde, als sie schließlich wieder auflegte.
Ich blickte einen Moment lang auf den Hörer. Kaylin beobachtete mich, und plötzlich wurde mir bewusst, dass jeder hier auf eine Reaktion von mir wartete.
»Ja, sie sagt, sie kann mir helfen.« Widerstrebend legte ich den Hörer auf die Gabel und seufzte tief. »Es gefällt mir nicht, aber ich tu’s. Ich will euch nicht in Gefahr bringen.« Ich nahm meinen Autoschlüssel und streifte meine Jacke über.
»Soll ich mitkommen?«, fragte Rhiannon.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Es sei denn, du hast Angst, dass ich letztendlich doch noch kneife.« Ich sah ihr direkt in die Augen, doch natürlich dachte Rhia nicht daran, sich von mir provozieren zu lassen. Stattdessen musterte sie mich ruhig, dann stand sie auf und legte ihre Hand auf meinen Arm. »Komm mal eben mit.«
Ich folgte ihr in einen anderen Raum. »Was ist?«, fragte ich gereizt.
»Cicely, ich weiß, dass du dich im Augenblick allein fühlst, aber wir sind nicht gegen dich. Leo hat sich wie ein Arschloch benommen, und es tut mir wirklich leid, was er zu dir gesagt hat; wenn du willst, setze ich ihn vor die Tür. Aber im Grunde genommen wollen wir alle dasselbe. Myst beseitigen, die Stadt befreien, Grieve in Sicherheit bringen. Und …«, sie senkte die Stimme, »… meine Mutter. Ich will, dass sie in Frieden ruhen kann. Ich kann den Gedanken nicht
Weitere Kostenlose Bücher