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Das Echo der Flüsterer

Titel: Das Echo der Flüsterer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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anderen beiden sind Belkan und Syrda, die unserer Runde lange ferngeblieben ist. Mein Sinnstein verleiht mir die Gabe, eine Facette im Umkreis von vielen Meilen zu erspüren.«
    »Und was für einen Nutzen soll das haben?« In Jonas’ Frage schwang die Geringschätzung des Unwissenden.
    Goldan packte ihn so heftig am Arm, dass Jonas glaubte erneut gegen einen Brauch der Bonkas verstoßen zu haben, einen von der Sorte, die man tunlichst beachten sollte. Aber dann lächelte der Wächter nur und zeigte auf die Schatten in den Felsen.
    Jonas hatte den Spalt, auf den Goldan so zielstrebig zugesteuert war, für einen Durchgang gehalten, eine Abkürzung durch die Felsen hindurch, um danach auf gleicher Höhe dem Verlauf des Strandes folgen zu können. Er sah sich nach allen Seiten um, konnte aber nichts Auffälliges entdecken. Der letzte der vier Kais lag vielleicht tausend Fuß entfernt. Jonas konnte mehrere große Segelschiffe erkennen. Vereinzelt lagen Boote von Perlentauchern am Strand. Und direkt vor ihm türmte sich dieser Haufen von graugrünen Felsbrocken auf.
    Es handelte sich um die ersten größeren Steine, die er seit dem unheimlichen Hängegebirge zu Gesicht bekam. Aber daran war nichts Auffälliges. Auch an der Küste Floridas gab es Stellen mit solchen Klippen. Plötzlich stutzte er.
    Der vermeintliche Durchgang zum Strand jenseits der Felsen war… falsch. Vielleicht war das nicht der richtige Ausdruck für das, was Jonas sah, aber eigentlich hätte der Spalt nicht so dunkel sein dürfen. Selbst wenn einige Felsen den direkten Weg hindurch versperrt hätten, musste doch wenigstens etwas Licht von der anderen Seite hineinfallen. Aber da gab es nur einen formlosen dunklen Schatten. Er lächelte Goldan schief an. »Wenn du mich nicht fest gehalten hättest, wäre ich mittenrein gelaufen, richtig?«
    »Stimmt genau.«
    »Ist es gefährlich, durch so eine Facette zu gehen?«
    »Nicht wenn man weiß, was sich auf der anderen Seite befindet.«
    »Und was ist dort?«
    Goldan ging um Jonas herum, sodass er ihm und Darina die Arme um die Schultern legen konnte. »Kannst du deinen Raben zu dir rufen?«
    Jonas streckte den Arm aus und Kraark war mit wenigen Flügelschlägen bei ihm.
    »Ich hasse diese Dinger«, sagte der schwarze Vogel in einer Weise, die Jonas etwas Angst einjagte. Bevor er noch seine Bedenken äußern konnte, schob sie Goldan schon voran.
    Als sie unter das enge Felsentor traten, schaute Jonas besorgt zurück. Gerade sah er noch die Schiffe am Kai liegen, dann schien sich plötzlich ein Spiegel vor seinen Augen herabzusenken, der ihm nur noch das Dämmerlicht aus dem Innern des Spalts zeigte. Der Wechsel war so abrupt vor sich gegangen, dass er erschrocken stehen blieb.
    »Was ist?«, fragte Goldan.
    »Für ihn ist alles ungewohnt«, meinte Darinas Stimme aus den Schatten. »Er fürchtet sich bestimmt.«
    Jonas drehte sich um. Sie standen immer noch in einem Felsspalt, möglicherweise auch in einer Höhle, aber hier wirkte alles anders. Der Hafen von Laomar war verschwunden. Um ihn herum gab es nichts als nackten Stein.
    »Wir müssen dort entlang«, sagte Goldan und nickte in eine Richtung, in der die Schatten weniger dicht waren. Erneut kam er Jonas’ Einspruch zuvor und schob seine Begleiter voran.
    Der Weg durch den Rest des Spalts war kurz. Nach zwei scharfen Biegungen hellte sich der Gang deutlich auf. Kurz darauf standen sie wieder im Freien. Erleichtert sprang der Rabe mit flatternden Flügeln von Jonas’ Arm.
    Vor ihren Augen erhob sich schroffer blaugrauer Fels. Hier und da gab es einige blasse Grasmatten. Als Jonas den Kopf in den Nacken legte, wurde ihm fast schwindlig. Sie befanden sich direkt am Rande des auf dem Kopf stehenden Gebirges.
    Die Berghänge wuchsen über die vier kleinen Gestalten empor. Hoch oben konnte Jonas glitzernden Schnee und türkisfarbenes Eis erkennen.
    »Ist das Gebirge ein Teil des Kristalls?«, fragte Jonas leise.
    Goldan sah zu Darina hinüber.
    Sie lächelte. »Ja und nein. Azon ist ja keine Blase, die sich im Innern der Erde befindet. Die Welt unter dem blauen Kristall ist nur ein lebendes Bild.«
    »Nur?«
    »Sagen wir, das Gebirge ist dem Herzen des Kristalls so nahe wie sonst kein anderer Ort auf Azon, die Spiegelregion natürlich ausgenommen.«
    »Ich glaube, ich kann gar nicht so alt werden, wie notwendig wäre, um das alles zu begreifen.«
    »Hab nur Geduld, Jonas. Vergiss nicht, du bist ein Wande rer!«
    »Darf ich euch unterbrechen?«, fragte

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