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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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oft schon gedacht hatte, er müsse ihr seit vielen Leben vertraut sein.
    »Meinst du, wir können jetzt die Brücke in Angriff nehmen?«, fragte Nathan.
    Sie schüttelte den Kopf. Sie war es gewesen, die gebeten hatte, noch eine Weile am Festland zu warten, ehe sie hinüber nach Skye fuhren. Sie hatte keinen Grund genannt, aber zu spüren gemeint, dass Nathan verstand, was in ihr vorging. Sie hatte das Gefühl, dass etwas Unwiderrufliches geschah, wenn sie die Insel betrat. Fast zwei Tage waren sie unterwegs gewesen, durch England und Schottland gefahren, und doch war es noch immer so, als könne sie jeden Moment umkehren. Zurück nach Ferndale, zurück in ihr altes Leben. Sie müsste eine Menge Erklärungen abgeben, sich von Frederic mit Fragen und Vorwürfen bombardieren lassen, vermutlich auch einer entrüsteten Grace und einem verständnislosen Jack irgendetwas erklären – aber sie hatte sich dennoch bislang nicht wirklich von ihnen allen entfernt. Frederic gegenüber würde sie das alles letztlich auf ihre Panik vor dem bevorstehenden wichtigen Abend zurückführen, und es würde ihr auch irgendein Brocken einfallen, den sie den Walkers hinwerfen konnte. Aber wenn sie das Festland verließ, wenn sie gemeinsam mit Nathan die Insel betrat, schnitt sie das Band durch. Nicht, was die anderen betraf, aber was sie selbst anging. Danach, das spürte sie, war eine einfache Rückkehr nicht mehr möglich.
    »Ich kann noch nicht«, sagte sie.
    »Okay«, erwiderte Nathan.
    Sie mochte seine Art. Er schien immer sehr genau zu begreifen, wann sie keine Erklärungen abgeben wollte, und er nahm sich dann sofort zurück.
    Und er konnte lange und schweigend zuhören. Fast die ganze Fahrt über hatte sie von Michael und Tommi erzählt. Er hatte sie kaum je unterbrochen, ihr mit gelegentlichen Einwürfen jedoch bewiesen, dass er nicht abgeschaltet hatte, sondern ihren Ausführungen sehr konzentriert folgte. Es war eigenartig gewesen, durch die einsame, manchmal sehr karge Landschaft zu fahren und die alten Geschichten auferstehen zu lassen, befreiend und zugleich traurig.
    »Tommi … hat den Unfall nicht überlebt?«, fragte Nathan. Wie so oft war sie über seine Intuition erstaunt. Auch sie hatte gerade an den kleinen Jungen gedacht.
    »Nein. Das heißt, zunächst schon. Er lebte noch, als sie ihn ins Krankenhaus brachten. Aber er wachte nicht mehr aus dem Koma auf. Er hatte schwerste Kopfverletzungen davongetragen. Die Ärzte erklärten, er werde, selbst wenn er mit dem Leben davonkommen sollte, wohl für immer geschädigt bleiben. Also, sich nicht mehr normal entwickeln können, für immer auf dem geistigen Stand eines kleinen Kindes bleiben. Trotzdem hofften und beteten seine Eltern, er möge nicht sterben.«
    »Das ist verständlich.«
    »Aus der Sicht der Eltern – ja. Ich selbst war irgendwie zerrissen. Manchmal dachte ich … der Tod wäre besser für ihn.« »Wie ging es Michael in jener Zeit?«
    »Ganz furchtbar. An jenem Freitag, der dem schrecklichen Unglück vorausging, war er in Cambridge gewesen. Mit dem Auto. Ich nicht. Ich hatte daheim zuerst an einem Referat gearbeitet, mich später in die Gartenarbeit gestürzt. Michael hatte den Wagen am späten Nachmittag in unserer Auffahrt geparkt. Und offenbar nicht abgeschlossen. Er gab ausschließlich sich selbst die Schuld an dem Unfall, und natürlich kam er damit überhaupt nicht zurecht. Er ging jeden Tag zu Tommi ins Krankenhaus, wachte, weinte und betete an seinem Bett. Er schlief kaum noch und magerte ab.«
    »Gabst auch du ihm die Schuld?«, fragte Nathan.
    Sie starrte an ihm vorbei in die Ferne. Gerade zerrte der Wind wieder eine große Lücke in die Wolken, und für Augenblicke wurde der Gipfel des Sgurr Alasdair, des höchsten Berges der Black Cuillins, sichtbar. Die Sonne strahlte ihn an, doch im nächsten Moment hüllten ihn die Wolken schon wieder ein, und er verschwand.
    »Es war ein Unglück«, sagte sie, »ein tragisches Unglück. Ich glaube, dass niemanden die Schuld trifft.«
    »Diese Sichtweise konntest du Michael aber wohl nicht vermitteln?«
    »Nein. Wir redeten ständig und immer wieder über das alles, aber er blieb dabei, dass er praktisch ein Verbrechen begangen hätte. Und dann, am elften April, starb Tommi. Von da an wurde alles noch schlimmer.«
    Sie musste an die Beerdigung des kleinen Jungen denken. Michael war wie erstarrt gewesen. Er hatte schlimmer ausgesehen als die verzweifelten Eltern. Totenblass und mit einem Ausdruck von tiefer

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