Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
…«
    Er sprach nicht weiter, und sie legte ihm sanft die Hand auf den Arm. »Nathan … zwischen uns sollte das kein Thema sein.«
    »Für mich ist es ein Thema. Ich bin dreiundvierzig Jahre alt. Ich stehe mit nichts in den Händen da, mit überhaupt nichts! Ich schnorre mich bei der Frau durch, die ich liebe. Verdammt, kannst du dir vorstellen, wie scheußlich ich mich dabei fühle?«
    »Ich kann es mir vorstellen«, sagte Virginia.
    Er war unten angelangt, strich sich die Haare aus der Stirn. Seine Bewegung war eher müde als wütend. »Wenn ich nur einen Weg sehen könnte! Ich weiß, dass ich schreiben werde. Ich weiß, dass ich Erfolg haben werde. Aber das ist nichts, was schnell gehen wird.«
    »Aber irgendwann bist du am Ziel. Lass dir doch bis dahin von mir helfen.«
    »Mir bleibt kaum etwas anderes übrig«, sagte Nathan. Virginia stellte erstaunt fest, dass er wirklich elend aussah. Offenbar hatte er tatsächlich vorgehabt, sie nicht um weiteres Geld zu bitten, wobei sie nicht wusste, wie er das hätte durchhalten wollen. Die Tatsache, dass Livia seine magere Barschaft hatte mitgehen lassen, schien ihn in eine echte Krise zu stürzen.
    »Mir bleibt nichts anderes übrig«, wiederholte Nathan, »weil ich ja von irgendetwas leben muss. Und ich werde zunächst kaum hier in Ferndale bleiben können, so wie es aussieht.«
    Sie sah ihn an. »Wieso?«, fragte sie begriffsstutzig.
    Er lächelte, aber er wirkte nicht glücklich dabei. »Süße, dein Mann kommt heute. Schon vergessen? Ich meine, ich habe ja nichts gegen ihn, aber glaubst du, er kann wirklich gelassen damit umgehen, wenn ich im Wohnzimmer sitze und ihm einen Drink anbiete, sobald er hereinkommt?«
    Sie wunderte sich, dass sie bislang nicht über das Problem nachgedacht hatte, wie sich ein Zusammentreffen zwischen Nathan und Frederic vermeiden ließe. Sie war wohl zu sehr in die Aufregung um Kim verstrickt gewesen.
    »Das stimmt«, sagte sie, »du solltest besser nicht hier sein.«
    »Ich werde mir irgendwo ein Bed & Breakfast suchen und mich dort einmieten. Ich müsste dich nur leider bitten …«
    »Kein Problem. Ich bezahle das.«
    »Du bekommst jeden Penny zurück. Das schwöre ich dir.«
    »Wenn es dir damit besser geht …«
    »Anders könnte ich es nicht ertragen«, betonte er.
    Unschlüssig standen sie voreinander. »Ich weiß nicht, wie ich die nächsten Nächte ohne dich aushalten soll«, sagte Virginia leise.
    »Wir haben noch unser ganzes Leben«, erwiderte er ebenso leise.
    In schneller Folge zogen Bilder wie Momentaufnahmen vor Virginias innerem Auge vorüber: ein kleines Haus auf dem Land. Ein sonnendurchfluteter Garten. Sie und Nathan am Küchentisch, Becher mit starkem, schwarzem Kaffee vor sich. Sie diskutierten über sein neuestes Buch, leidenschaftlich, tief versunken, jenseits der Welt und doch nicht einsam, weil sie zusammen waren. Gemeinsame Nächte, ineinander verschlungen, einer den anderen spürend und atmend. Ein Glas Wein bei Sonnenuntergang. Stunden vor dem Kaminfeuer, während draußen Schneeflocken fielen und die Welt in vollkommene Schweigsamkeit hüllten. Spaziergänge, Hand in Hand, lachend und redend, oder in tiefer Übereinstimmung schweigend. Partys, Menschen, Musik, wortlose Verständigung mit den Augen.
    Glück, Glück, Glück.
    Sie würde es wiederfinden. Sie konnte seine Nähe schon spüren. Es war zum Greifen nah. Es stand bereits vor ihr, so dicht, dass es ihren Herzschlag zu beschleunigen vermochte.
    Nathans Lippen waren in ihrem Haar. »Ich gehe dann jetzt«, sagte er.
    »Jetzt schon? Frederic kommt erst am späten Nachmittag.«
    »Trotzdem. Ich muss ein bisschen für mich sein. Vielleicht fahre ich ans Meer. Es ist so viel geschehen.«
    »Du kannst mein Auto haben. Ich nehme dann das von Frederic.«
    Er ballte die Hände zu Fäusten. »Eines Tages«, sagte er, »werde ich nicht mehr abhängig sein. Alles wird anders werden.«
    »Natürlich.« Mach dich doch nicht so fertig deswegen, dachte sie.
    Sie drückte ihm ihren Autoschlüssel in die Hand, kramte in ihrer Handtasche nach ein paar Geldscheinen. Dann fiel ihr noch etwas ein.
    »Könntest du um fünf Uhr Kim von der Schule abholen? Grace ist, fürchte ich, noch zu krank, und Jack wird wohl noch nicht zurück sein. Ich beschreibe dir den Weg.«
    »Kann ich machen. Klar.«
    »Setze sie bei Grace ab. Ich will Frederic am Zug abholen und dann irgendwo mit ihm reden.«
    »Ich hole Kim rechtzeitig ab. Keine Sorge.«
    Sie nickte. Sie klammerte sich an den

Weitere Kostenlose Bücher