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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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feiern möchtest!«
    Das konnte sie sich auch denken. Nur allzu gut.
    »Aber sie wird es doch merken, wenn ich an meinem Geburtstag weggehe!«
    »Klar würde sie das merken. Und kurz vorher sagen wir es ihr auch. Wenn du möchtest, übernehme ich das. Aber dann sollte schon alles perfekt sein. Ich meine, wir sollten uns dann schon genau überlegt haben, was wir deinen Gästen anbieten, was wir spielen und in welcher Reihenfolge. Vielleicht sollten wir schon den Partykeller geschmückt oder im Garten Lampions aufgehängt haben. Wenn sie hört und womöglich sogar sieht, wie viel Mühe wir uns gegeben haben, wird sie bestimmt toll finden, was wir vorhaben!«
    Er kannte Mum nicht. Janie konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter jemals irgendetwas toll gefunden hatte. Aber vielleicht war es einen Versuch wert.
    »Und du solltest auch mit deinen Freundinnen noch nicht darüber sprechen«, fuhr der Mann fort, »denn nachher wird das womöglich alles nichts, und dann stehst du blamiert da.«
    »Warum sollte es nichts werden?«, hatte sie ganz erschrocken gefragt.
    »Nun ja – wenn vielleicht doch noch ein Einwand von deiner Mum kommt. Oder dir gefällt am Ende mein Haus nicht!«
    Letzteres konnte sie sich absolut nicht vorstellen. Ersteres dafür umso besser.
    »Ja. Da haben Sie Recht.«
    »Versprochen?«, fragte er. »Kein Wort zu niemandem?«
    »Kein Wort«, hatte sie feierlich gesagt.
    Er hatte ihr über die Haare gestrichen. »Wir feiern den schönsten Geburtstag deines Lebens, Janie«, hatte er gesagt.
    Und dann das Furchtbare vorgestern, am Samstag: Mum, die schon am frühen Morgen ganz blass gewesen war, hatte sich gleich nach dem Mittagessen, von dem sie wieder nur ein paar Krümel zu sich genommen hatte, übergeben müssen. Sie hatte gesagt, ihr sei sterbenselend, sie könne beim besten Willen nicht in die Wäscherei gehen. Janie wusste, dass es ernst sein musste, denn Mum schleppte sich in fast jedem Zustand zur Arbeit. Sie hatte sich dann noch mal erbrochen, schließlich in der Wäscherei angerufen und sich entschuldigt, und sich dann auf das Sofa im Wohnzimmer gelegt und gesagt, sie glaube sterben zu müssen. Janie hatte sich große Sorgen gemacht, aber fast noch mehr war sie wegen des fremden Mannes beunruhigt gewesen. Um Viertel nach zwei würde er auf sie warten. Sie hatte Mum gefragt, ob sie ihre Freundin Alice besuchen dürfe, das hätte noch eine Chance bedeutet. Aber Mum war sehr ärgerlich geworden. »Einmal bin ich krank! Einmal könnte ich deine Fürsorge gebrauchen! Und da willst du weg! Sehr nett von dir, das muss ich schon sagen!«
    Also war Janie geblieben, hatte ihrer Mutter am späteren Nachmittag Tee gekocht und einen geriebenen Apfel serviert und war so unglücklich gewesen wie schon lange nicht mehr. Sicher war der Mann nun sauer auf sie und würde sich nicht mehr blicken lassen.
    Am nächsten Tag war Mum wieder gesund gewesen, aber am Sonntag machte es ja keinen Sinn, den Laden aufzusuchen, und Janie hatte kreuzunglücklich zu Hause herumgegammelt. Sie konnte nur beten, dass er tatsächlich am Montag da sein würde. Um seine Motorradzeitschrift zu kaufen.
    Mum war zum Glück nicht wieder krank geworden. Und trotz des Bank Holidays ging sie zur Arbeit. Wie viele Arbeitgeber im Land zahlte auch ihre Chefin doppelten Stundenlohn, wenn man den Feiertag ignorierte, und Mum hatte am Morgen erklärt, sie könne jedes zusätzliche Pfund gebrauchen. Nun kam sie aus dem Wohnzimmer, wo sie geraucht und die Wand angestarrt hatte. Wie immer waren ihre Schritte schleppend. Janie fragte sich, wie ein Mensch nur ständig so müde sein konnte.
    Jetzt nahm Mum ihren Regenmantel von der Garderobe. Jetzt zog sie ihn an. Strich sich vor dem Spiegel noch einmal über die Haare. Seufzte tief. Sie seufzte jedesmal, bevor sie die Wohnung verlassen und zur Wäscherei gehen musste. Sie hatte einmal zu Janie gesagt, die Arbeit dort sei das Schlimmste, was sie sich je für ihr Leben hätte vorstellen können.
    Der Schlüsselbund klimperte leise, als Mum ihn von der Kommode vor dem Spiegel nahm und in ihrer Handtasche verschwinden ließ. Dann ging die Wohnungstür auf. Klappte gleich darauf wieder zu. Mums Schritte verhallten im Treppenhaus.
    Mit klopfendem Herzen warf Janie die Bettdecke zur Seite. Sollte sie wirklich …? Es war nicht leicht, etwas zu tun, wovon sie so genau wusste, dass Mum es nicht billigen würde. Aber dann dachte sie wieder an die grünen Einladungskärtchen mit den Glückskäfern und den

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