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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Kleeblättern darauf. An Lampions im Garten und an gemeinsames Würstchengrillen. Sie musste es tun. Sie musste einfach.
    Blitzschnell war sie in ihren Jeans, streifte ihr Sweatshirt über. Nahm ein Paar frische Strümpfe aus dem Schrank und zog dann ihre Turnschuhe an. Sie bürstete sich die Haare und steckte sie mit einer Spange aus der Stirn. Sie wollte hübsch und gepflegt aussehen. Hoffentlich war sie nicht völlig durchweicht, bis sie in dem Laden ankam. Sie verließ das Zimmer, schlüpfte in ihr Regencape.
    Ihr Herz klopfte noch mehr, als sie die Wohnung verließ.
    Sie wusste, warum: Sie hatte schreckliche Angst, er könnte nicht da sein.
     
    4
     
    Es war kurz vor halb drei Uhr am Nachmittag, als Virginia ihren Wagen am Tuesday Market Place in King's Lynn parkte, jenem Platz im Zentrum der Stadt, auf dem in vergangenen Jahrhunderten regelmäßig Hinrichtungen und Hexenverbrennungen stattgefunden hatten. Obwohl es noch immer heftig regnete und die Wolken tief über der Stadt hingen, fühlte sie sich besser als an den Tagen zuvor. Sie wusste nicht, woran das lag, hatte aber das undeutliche Empfinden, es könnte damit zusammenhängen, dass sie begonnen hatte, über Michael zu sprechen. Jahrelang hatte sie sich verboten, an ihn auch nur zu denken, und nun verbrachte sie Stunden damit, einem wildfremden Mann alles über ihn zu erzählen. Und über sich und ihrer beider gemeinsame Geschichte.
    Aber nicht wirklich alles. Sie war fest entschlossen: Alles würde Nathan Moor nicht erfahren.
    Sie wollte Livia im Krankenhaus besuchen und dann Kim abholen, aber zuvor … Was sie hierher auf den Marktplatz geführt hatte, war ein tollkühner Entschluss, den sie erst kurz vor ihrem Aufbruch gefasst hatte: Sie wollte sich ein neues Kleid kaufen, heute Abend Frederic anrufen und ihm sagen, dass er am Freitag in London mit ihr rechnen durfte.
    Ihr eigener Mut verursachte ihr heftiges Herzklopfen, und sie musste sich immer wieder sagen, dass sie sich noch nicht unter Druck gesetzt fühlen musste. Erst heute Abend, wenn sie Frederic Bescheid sagte, begab sie sich in eine Unausweichlichkeit. Noch gehörte ihr Plan ihr ganz allein. Sie konnte mit ihm spielen, konnte ihn ausbauen, verwerfen, was immer sie wollte.
    Also mach dich jetzt nicht verrückt, befahl sie sich, du gehst jetzt hin und kaufst einfach das Kleid. Da ist nichts dabei. Im schlimmsten Fall hast du eben das Geld zum Fenster rausgeworfen.
    Sie verließ das Auto und hastete, große Pfützen überspringend, über den Platz. Idiotischerweise hatte sie vergessen, einen Schirm mitzunehmen. Egal. Man kannte sie in der kleinen, feinen Boutique, die sich in zweiter Häuserreihe hinter dem Marktplatz befand, man würde sie dort zuvorkommend behandeln, auch wenn sie völlig durchweicht dort aufkreuzte.
    Auf halbem Weg hielt sie inne und beschloss, in dem Schreibwarenladen, an dem sie gerade vorbeikam, nach ein paar Illustrierten oder Taschenbüchern für Livia zu schauen. Sie wusste, dass sie dies auch in der Eingangshalle des Krankenhauses hätte tun können, insofern machte sie sich keine Illusionen über ihr eigentliches Motiv: Sie wollte den Kauf des Kleides wenigstens um ein paar Minuten noch hinausschieben. Ganz gleich, was sie sich vorbetete: In die Boutique zu gehen war der erste Schritt auf einem Weg, der sie zutiefst ängstigte.
    Im Laden befanden sich erstaunlich viele Menschen, die wahrscheinlich gar nicht alle etwas kaufen wollten, sondern nur Schutz vor dem Regen suchten. Dem Inhaber, einem grauhaarigen Mann mit Nickelbrille, war das wohl auch klar, denn er blickte ziemlich missmutig drein. Virginia fand, dass man ihm das nicht verdenken konnte.
    Der Laden führte auch internationale Presse, und Virginia entdeckte zwei deutsche Magazine, die zwar nicht mehr ganz aktuell waren, aber Livia sicherlich erfreuen würden. Falls sie sie überhaupt wahrnahm. Wenn Nathans Aussage stimmte, gelang es derzeit niemandem, zu ihr durchzudringen.
    Sie suchte noch ein Malbuch für Kim aus und drängte sich zwischen den Herumstehenden zur Kasse. Der Grauhaarige fand es sichtlich angenehm, endlich einen echten Kunden vor sich zu haben.
    »Verstellen hier nur den Weg und warten, dass es zu regnen aufhört«, brummte er. »Bin ich ein Unterstand oder was?«
    »Draußen herrscht aber wirklich die Sintflut«, meinte Virginia und kramte nach ihrem Geldbeutel. Sie zuckte zusammen, als der Ladeninhaber plötzlich brüllte: »Jetzt reicht's mir aber! Noch mal sag ich es nicht! Nimmst du

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