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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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uns, und dass mir die zweitliebste Variante die wäre, dass sie sich verlaufen hat, von anständigen Menschen aufgegriffen und uns zurückgegeben wird, so würde ich als dritte Möglichkeit darauf hoffen, dass jemand sie gekidnappt hat, um daran reich zu werden. Vielleicht jemand, der sie verwechselt hat? Denn dann gäbe es eine Chance, sie unversehrt zurückzubekommen. Die schrecklichste Alternative ist doch die …« Es fiel ihm so schwer, dies auszusprechen. Er sah das Mitgefühl in Joannes Augen und musste erneut gegen die Tränen kämpfen.
    »Die schrecklichste Alternative ist doch die, dass sie irgend so einem perversen Kerl in die Hände geraten ist. Wissen Sie, so wie es gerade diesem anderen Mädchen aus King's Lynn passiert ist. Wenn ich mir vorstelle, dass sie jetzt vielleicht gerade von ihm …« Er stöhnte auf, bedeckte die Augen mit der Hand.      
    Joanna fasste kurz nach seinem Arm. »Stellen Sie es sich nicht vor. Quälen Sie sich nicht mit fürchterlichen Fantasien. Ich weiß, das ist leicht gesagt. Aber es hilft nichts, wenn Sie sich verrückt machen. Sie brauchen Ihre Nerven und Ihre Kraft.«
    Sie hatten noch ein wenig über Rachel gesprochen, er hatte Fotos gezeigt und von ihr erzählt. Joanne hatte sich gegen elf Uhr verabschiedet. Robert war in sein Arbeitszimmer gegangen und hatte wahllos im Internet gesurft. Er hatte gehört, wie Claire um drei Uhr morgens unten auf und ab zu gehen begann; offenbar ließ die Wirkung der Spritzen nach, und sie konnte sich wieder bewegen. Irgendwann wurde der Fernseher eingeschaltet.
    Okay, Fernsehen ist gut. Computer ist gut. Die Psychologin war gut. Wir müssen überleben. Wir müssen diese Nacht überstehen. O Gott, lass es nicht zu viele solcher Nächte werden!
     
    Und nun standen die drei Polizeibeamten im Wohnzimmer, und es war ihnen anzusehen, dass sie ihren Beruf in diesem Moment hassten. Robert schaute zu Claire hinüber. Sie trug ihren weißen Bademantel und hatte sich die Haare gekämmt, aber sie sah noch immer verwüstet aus mit ihren geschundenen Handgelenken und den tiefen Kratzern im Gesicht.
    »Was ist mit Rachel?«, fragte sie. Ihre Stimme und ihre Gesichtsmuskulatur gehorchten ihr wieder.
    Einer der Beamten räusperte sich. »Wir wissen nicht, ob es sich um Ihre Tochter handelt, das muss ich gleich vorwegschicken, aber …«
    Warum seid ihr dann hier, dachte Robert, wenn ihr es nicht eigentlich doch wisst?
    Der Polizei lag eine genaue Beschreibung Rachels vor. Größe, Gewicht, Haarfarbe, Augenfarbe. Die Kleidung, die sie am Sonntag getragen hatte. Wenn sie ein Kind gefunden hatten, in welchem Zustand auch immer, dürfte es nicht allzu viele Zweifel geben.
    »Ein Jogger hat heute früh die Leiche eines Kindes gefunden.« Der Beamte schaffte es, mit Claire und Robert zu reden, ohne sie beide anzusehen. »Es könnte … Es könnte sein, dass es Rachel ist.«
    Claire hatte von Situationen gelesen, die so waren wie die, die ihr gerade widerfuhr. In Büchern, in Zeitungen. Sie hatte Filme darüber gesehen. Erst letzte Woche hatte sie eine Talkshow angeschaut, in der die Mutter der kürzlich getöteten Sarah Alby über die Tragödie berichtete, in die sich ihr Leben unvermittelt verwandelt hatte. Wann immer sie damit konfrontiert worden war – mit dem Verlust eines Kindes durch ein Gewaltverbrechen –, hatte sie den Schmerz der Eltern zutiefst nachempfunden und sich zugleich gefragt, wie ein Mensch dies ertragen und danach weiterleben konnte. Ihre Erkenntnis war immer die gewesen, dass es wohl nicht ging: Man konnte danach vielleicht noch existieren, atmen, schlafen, wachen, essen und trinken, aber man konnte nicht mehr leben. Zu viel würde absterben. Das Wichtigste würde absterben.
    Und nun stand sie an einem kühlen, wolkigen Augusttag im Wohnzimmer des behaglichen kleinen Hauses, das sie sich mit Robert geschaffen hatte, stand inmitten ihrer beider beschaulichen, idyllischen Welt, die schon in ihrer Auflösung begriffen war, und erlebte selbst den Moment, von dem sie geglaubt hatte, er sei nicht zu ertragen. Und ertrug ihn. Betäubt und in einer eigenartigen Distanz zu sich selbst. Sie war Teil des Geschehens und zugleich Beobachterin. Später dachte sie, dass es diese Abspaltung gewesen war, die sie in jenem Moment nicht hatte wahnsinnig werden lassen.
    Sie hörte Robert fragen: »Wo … wurde dieses Kind …?«
    »Ganz nah bei Schloß Sandringham. Fast unmittelbar neben den Parkanlagen«, sagte einer der beiden anderen Beamten, die

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