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Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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den hatte sie schon gar nicht mehr gedacht. Und Michael meinte, sie grübele noch immer über ihn nach.
    »Aber er hatte doch eindeutig seine Schattenseiten«, fuhr Michael fort. »Er hat dich misshandelt und ständig getrunken … Und so etwas würde dir mit mir nicht passieren.«
    Sie sah ihn an. Nein, dachte sie, das Schlimme ist nur, dass mir mit dir überhaupt nichts passieren würde. Dass ich das Gefühl hätte, mein Leben zu verschlafen.
    »Weißt du«, sagte Michael, »ich fange ja im nächsten Jahr an zu arbeiten, und dann möchte ich schnell ein Heim für uns schaffen. Auf die Dauer ist das ja nichts mit dieser kleinen Wohnung. Ich dachte an ein Häuschen mit einem Garten. Was meinst du? Dann hätten auch …« Er stockte. »Was?«, fragte Virginia.
    »Dann hätten unsere Kinder Platz zum Spielen«, sagte Michael. Er räusperte sich. »Ich will dich ja nicht drängen, Virginia, aber ich hätte so gern Kinder. Ich liebe Kinder. Ich würde es genießen, eine richtige Familie zu haben. Was meinst du?«
    Das ging ihr alles viel zu schnell. Heiraten, in ein Haus umziehen, Kinder bekommen. Das alles mit einem Mann, der ihr vertraut war, den sie mochte, der aber nicht im Entferntesten in ihr auslösen konnte, was Andrew in ihr auslöste. Sie musste an die Nächte mit ihm denken, an all das, was zwischen ihnen gewesen war, und schon füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie wandte das Gesicht ab, damit Michael es nicht bemerkte.
    Er war jedoch feinfühlig genug, um zu spüren, dass sie alles andere als glücklich war.
    Unbeholfen strich er ihr über den Arm. »Es tut mir leid. Ich habe dich vielleicht zu sehr überfallen mit alldem. Es ist nur … ich liebe dich so sehr!«
    Ein paar Tage nach diesem Abend traf Virginia mitten in Cambridge Andrew auf der Straße. Er war in Begleitung einer attraktiven, blonden Frau, die einen gewaltigen Neunmonatsbauch vor sich her schob. Susan.
    Andrew erstarrte sekundenlang, als er Virginias ansichtig wurde, dann sah er zur Seite und ging rasch weiter. Virginia war so geschockt, dass sie mit weichen Knien die Straße überquerte, im nächstbesten Cafe untertauchte, auf einen Stuhl sank und die Bedienung entgeistert anblickte, als diese sie nach ihren Wünschen fragte. Susan, das Phantom, hatte plötzlich ein Gesicht bekommen. Ganz zu schweigen von dem riesigen Leib, der die Frucht von Andrews Untreue in sich trug. Bei dem Gedanken an den erschrockenen Ausdruck in Andrews Augen und an die hastige Bewegung, mit der er sich von ihr abgewandt hatte, begannen ihre Wangen vor Scham zu brennen. Mit diesem Mann hatte sie sich eine Zukunft erträumt. Von diesem Mann hatte sie sich wochenlang belügen und monatelang hinhalten lassen. Und nun musste sie es ertragen, dass er auf der Straße vorgab, sie nicht zu kennen.
    Am Abend erklärte sie Michael, dass sie bereit sei, mit ihm in ein Haus zu ziehen. Sie stellte nur eine Bedienung: Es dürfe nicht in Cambridge sein.
    Es war schlimm genug, dass sie dort die Universität besuchte. Aber wohnen wollte sie woanders. Sie hatte keine Lust, bei ihrem nächsten Gang zum Bäcker oder zum Supermarkt Andrew, Susan und einem schreienden Baby im Kinderwagen zu begegnen.
     
    Sie zogen nach St. Ives. Nah genug, um in Cambridge arbeiten zu können, und weit genug, um Andrew und seiner jungen Familie nicht bei jeder Gelegenheit über den Weg zu laufen. Michael hatte vorsichtig dafür plädiert, doch etwas näher an der Universitätsstadt zu bleiben, zumal er Anfang des neuen Jahres eine Assistentenstelle bekäme und sehr eingespannt wäre. Ohne den Fahrtweg hätte er es leichter gehabt. Aber ohne weitere Gründe zu nennen, beharrte Virginia auf ihrem Wunsch, und da Michael viel zu glücklich war, sie überhaupt so weit gebracht zu haben, riskierte er keinerlei Widerworte mehr und fügte sich in ihre Vorstellungen, obwohl er sie nicht begriff.
    Sie hatten nicht viel Geld, und das Häuschen in St. Ives war sehr klein, aber es war doch ihr erstes richtiges gemeinsames Zuhause. In der Enge des Ein-Zimmer-Apartments hatten sich beide nicht wirklich wohl gefühlt. Jetzt gab es ein Wohnzimmer mit einem Kamin, eine Küche, in die auch ein Esstisch hineinpasste, und zwei weitere kleine Zimmer, die nach hinten zum Garten hinausgingen. Eines davon richteten sie als Schlafzimmer ein, das andere als Arbeitszimmer. Sie kauften billige Möbel, deren Schlichtheit sie mit bunten Kissen aufpeppten, und einfache Stoffe, aus denen Virginia mehr schlecht als recht Vorhänge

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