Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Echo der Schuld

Das Echo der Schuld

Titel: Das Echo der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
Vom Netzwerk:
sofort reagieren konnte. Als er dann jedoch zu sprechen begann, klang seine Stimme so erfreut und glücklich, dass sich Virginia beinahe schämte. Es ging um eine Lappalie, und ihr Mann konnte sein Glück kaum fassen.
    »He«, sagte er leise, »du glaubst nicht, wie sehr ich mich freue.«
    »Ich mich auch, Frederic«, log sie. Sie wich Nathans Blick aus. Er merkte genau, wie angespannt und unecht sie klang.
    »Du kommst mit dem Zug?«
    »Ja. Ich werde dir die Zeiten noch durchgeben.«
    Er freute sich wirklich. Sie konnte es an seiner Stimme hören. Und er freute sich nicht nur wegen der Party, auch das spürte sie. Er freute sich auf sie.
    »Wie wunderbar, dass du schon einen Tag früher kommst. Wir werden irgendwo hingehen, nur wir beide. Ein schönes Essen … und dann vielleicht ein Nachtclub, was meinst du? Wir haben seit Ewigkeiten nicht mehr getanzt.«
    »Das ist … das ist eine gute Idee.« Sie hoffte, er würde aufhören, Pläne zu schmieden. Sie wollte nicht schon wieder Kopfschmerzen bekommen.
    »Kim bleibt bei Grace?«, erkundigte er sich.
    »Ich habe mit Grace noch nicht gesprochen, aber das wird kein Problem geben. Grace ist ja verrückt nach der Kleinen.«
    »Dann kann nichts mehr dazwischenkommen«, sagte Frederic. Es klang beschwörend.
    Bis ich am Donnerstag in London aus dem Zug steige, dachte Virginia, wird er nervös sein.
    Ihr Hals fühlte sich eng an.
    »Ich melde mich«, sagte sie hastig.
    »Virginia«, begann Frederic, aber er sprach den Satz nicht zu Ende. »Ach, nichts«, sagte er dann nur. »Pass auf dich auf. Ich liebe dich.«
    Sie wusste, dass er nach Nathan Moor hatte fragen wollen. Wie sie es anstellen würde, ihn bis Donnerstag aus dem Haus zu komplimentieren. Aber offenbar erschien ihm das Thema zu heikel, und im Augenblick musste es für ihn in erster Linie darum gehen, die Stimmung seiner Frau nicht zu gefährden. Nathan Moor war als Problem zweitrangig.
    Zudem sagt er sich wohl, dass ich schon nicht so wahnsinnig sein kann, ihn hier wohnen zu lassen, während ich fort bin, dachte sie, während sie das Telefonat beendete. Das würde er vielleicht nicht einmal mir zutrauen.
    »Ich darf zu Grace und Jack?«, rief Kim und fing an, auf einem Bein zu hüpfen. »Stimmt das, Mum?«
    »Wenn die beiden es erlauben – ja.«
    Kim jubelte. Grace backte immer Kuchen, Kim durfte viel mehr fernsehen als daheim, und sie bekam heiße Schokolade, soviel sie nur wollte. Sie war erst ein- oder zweimal über Nacht dort gewesen und hatte es toll gefunden.
    »Sie fahren übermorgen nach London?«, fragte Nathan jetzt. »Ja.« Sie holte tief Luft. »Das bedeutet, Sie müssen sich ein anderes Quartier suchen, Nathan. Ab Donnerstag.« »Klar«, sagte er, »ab Donnerstag.«
    Sie sahen einander an. Seine Augen teilten ihr etwas mit, das ihr plötzlich das Rot in die Wangen trieb. Ihr wurde heiß am ganzen Körper; sie strich sich mit einer hilflosen Geste die Haare aus der Stirn. Er hatte etwas an sich, was sie in Worten kaum ausdrücken konnte. Vielleicht war es die Intensität, die in allem lag, was er tat, in jedem Blick, in jedem Wort, in jeder noch so flüchtigen Berührung. Sexappeal, so hatten es Livias unerträgliche Zimmergenossinnen im Krankenhaus genannt. Zweifellos verfügte er über eine starke sexuelle Ausstrahlung. Wenn er einer Frau über den Rücken strich – sie musste plötzlich an die Situation im Wohnzimmer denken, als sie von Tränen und Migräne gepeinigt wurde –, hatte das fast etwas von einem Liebesakt.
    »Mum, darf ich gleich zu Grace gehen und sie fragen?«, drängelte Kim.
    Virginia lächelte. »Geh nur. Aber sag ihr, dass ich nachher auch noch einmal mit ihr spreche. Und zieh dir vorher etwas an!«
    Kim sauste nach oben in ihr Zimmer.
    »Sie wollen wirklich nach London fahren?«, fragte Nathan.
    »Ja.« Sie bemühte sich um eine feste Stimme und einen klaren Blick und hatte dabei den Eindruck, dass ihr beides nicht sonderlich gut gelang. »Ich begleite meinen Mann zu einer Party.«
    »Wie schön. Sie freuen sich bestimmt darauf?«
    »Natürlich. Warum sollte ich das nicht tun?« Sie hatte plötzlich schreckliche Sehnsucht nach einer Zigarette. Nach etwas, woran sie sich festhalten konnte, etwas, das ihr Ruhe gab. Der warme Rauch, das Nikotin, das ihren Körper entspannte … Wo hatte sie nur die Packung hingelegt, die sie neulich …
    Es wunderte sie nicht einmal sehr, als Nathan ein zerknautschtes Päckchen Zigaretten aus seiner Hosentasche kramte und es ihr hinhielt.

Weitere Kostenlose Bücher