Das Echo der Schuld
ihr einnisten, dachte er, nur damit überhaupt jemand da ist.
Insofern konnte jedoch der Freitag ein guter Anfang sein. Wenn sie sich überwand und dann vielleicht doch Gefallen an Aktivitäten dieser Art fand, würde sie vielleicht in Zukunft öfter nach London kommen. Er meinte, dass das nur gut für sie sein konnte.
Sie hatten also am Telefon über dies und das gesprochen, und nur ganz am Ende hatte er jedesmal gesagt: »Ich freue mich so, dass du kommst!«
»Ich freue mich auch«, hatte sie erwidert. Es klang nie überzeugend, aber sie schien guten Willens zu sein, ein wenig Gefallen an dem bevorstehenden Ereignis zu finden.
Dann hatte sie ihm erzählt, dass ein weiteres Kind aus King's Lynn ermordet aufgefunden worden war.
»Das ist schon das zweite, Frederic! Ich frage mich wirklich, ob es gut ist, Kim gerade jetzt alleine zu lassen!«
Ihm war himmelangst geworden. »Virginia, so schrecklich es klingt, aber irgendwo werden immer Kinder umgebracht. Du könntest nie mehr fort, wenn es danach ginge.«
»Es werden nicht immer Kinder genau in unserer Region umgebracht.«
»Du weißt, wie sehr die Walkers unsere Kim mögen. Sie lassen sie bestimmt keinen Moment aus den Augen.«
»Aber sie sind nicht mehr die Jüngsten, und …«
»Aber Tattergreise sind sie auch nicht. Virginia, es ist für Kims Entwicklung nicht gut, wenn ihre Mutter wie ein Schatten an ihr klebt. Willst du einen unselbstständigen, völlig verschüchterten Menschen aus ihr machen, der irgendwann keinen Schritt mehr ohne seine Mum tun kann?«
Er hörte sie seufzen. »Ist es so unverständlich, dass ich mich sorge?«, fragte sie.
»Nein. Aber in diesem Fall sorgst du dich umsonst. Glaube mir.«
»Ich werde kommen, Frederic«, sagte sie leise, »ich habe es dir versprochen.«
Ihm hätte es gut getan, wenn sie ein wenig mehr Enthusiasmus gezeigt hätte, aber wie die Dinge lagen, musste er sich damit begnügen, dass sie wenigstens bereit war, ihm ein Opfer zu bringen.
Er schenkte sich einen Sherry ein und wanderte mit dem Glas in der Hand durch die Wohnung. Morgen um diese Zeit wäre Virginia schon hier. Sie würden gemeinsam auf dem Sofa sitzen, etwas trinken und überlegen, wo und wie sie den Abend verbringen wollten. Sie würde ihm hoffentlich berichten, dass sie Nathan Moor endlich zum Teufel geschickt hatte, und dann würde sie ein wunderschönes Kleid anziehen, und sie würden zum Essen, später zum Tanzen gehen. Er hatte sich den ganzen morgigen Abend freigehalten.
Er betrachtete das gerahmte Foto von ihrer Hochzeit, das in einem der Bücherregale stand. Er selbst strahlte vor Glück auf diesem Bild.
Virginia sah leicht melancholisch aus wie immer, hatte sich jedoch um ein Lächeln bemüht. Es war nicht so, dass sie unglücklich gewirkt hätte. Aber auch nicht so, als hätte die Tatsache, dass sie gerade den Mann geheiratet hatte, den sie liebte, sie für einen Tag zum glücklichsten Menschen gemacht. Virginia bei ihrer Hochzeit war dieselbe wie immer: nicht traurig, nicht fröhlich. Sondern auf eine eigentümliche Art unberührt von allem, was mit ihr passierte, was um sie herum geschah. In sich abgekapselt, nach innen gewandt. Schon oft hatte ihn diese Eigenart mit Besorgnis erfüllt, und doch war es dieser Zug ihres Wesens, der ihn von Anfang an so stark zu ihr hingezogen hatte. Das Stille, Nachdenkliche, Weitabgewandte … Wer ihn kannte, hätte ihn nie als einen schüchternen Mann eingeschätzt, aber er wusste, dass er es Frauen gegenüber war. Traten sie allzu laut, zu lebhaft, zu kokett oder gar sexuell aggressiv auf, zog er sich zurück, überrumpelt und verunsichert. Mit Virginia war das anders gewesen; sie war ihm wie die Antwort erschienen auf seine tiefsten Wünsche, die er an das Leben hatte. Schön, intelligent, gebildet, zurückhaltend, überschattet von einer Melancholie, die ihm das Gefühl gab, ihr Beschützer zu sein, die Kraft, die sie durch ihr Leben geleitete. Es waren altmodische Gefühle, die er mit einer Partnerschaft, einer Ehe verband, aber er fand nicht, dass sie deshalb nicht legitim gewesen wären.
Er war zu klug, um nicht zu wissen, dass alles seinen Preis hat. Bei Virginia bezahlte er ihre Sanftheit mit ihrer Angst vor der Welt, aus der möglicherweise ihre völlige Unfähigkeit, die perfekte Gattin eines aufstrebenden Politikers zu sein, resultierte. Er wusste, dass es sie unglücklich und angespannt sein ließ, ihn am Freitag zu dem Fest begleiten zu müssen. Sie tat es, weil sie ihn
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