Das Echo der Vergangenheit
beinahe pfirsichartig schmeckende Gebräu. »Wie gut kennen Sie Lance Michelli?«
»Gut genug, um ihm eine junge Mutter anzuvertrauen. Rese ist regelmäßig zu unserer Bibelstunde gekommen, bevor sie damit angefangen hat, bis spät abends zu arbeiten.«
»Haben Sie jemals gesehen, dass er ein Wunder vollbracht hat?«
»Wie bitte?«
»Star behauptet, Lance habe das leblose Baby wiederbelebt und zum Atmen gebracht.«
»Wenn tatsächlich ein Wunder geschehen ist, dann hat Gott es vollbracht. Aber ich will es mal so sagen: Seitdem ich diesen Mann kenne, habe ich das Gefühl, dass Gott ihn mir aufs Herz gelegt hat.«
»Inwiefern das?«
»Dass ich für ihn beten soll. Manchmal auch ihn beschützen. Oder ihn einfach nur ermutigen.« Sie goss Wasser über einen zweiten Beutel für ihren eigenen Tee. »In der Nacht, als das Baby geboren wurde, bin ich nachts mit einem Gefühl des Staunens und der Freude aufgewacht.«
Das wurde allmählich zu verrückt. »Wussten Sie, was geschehen war?«
»Nicht bis gerade eben.«
»Hat denn niemand etwas gesagt? Nicht einmal Lance, als Sie nach Maria und dem Baby gesehen haben?«
Sie schüttelte den Kopf.
Warum würde er so etwas geheim halten? Wollte er seine »besonderen Fähigkeiten« herunterspielen? Das Baby atmete völlig normal. Es gab keine Anzeichen mehr dafür, dass etwas nicht gestimmt hatte.
Er runzelte die Stirn. In seinem Job waren analytische Fähigkeiten, eine gute Beobachtungsgabe und eine gehörige Portion Intuition gefragt. Aberglaube gehörte nicht zu den üblichen Qualifikationen.
»Haben Sie in den letzten vierundzwanzig Stunden etwas von Maria gehört?«
»Nein.« Sie nahm den Teebeutel aus ihrer Tasse.
»Haben Sie einen Grund anzunehmen, dass das Kind in Gefahr sein könnte?« Er trank seinen Tee, erpicht darauf, seinen Besuch zu beenden.
»Maria könnte es sein. Das Baby? Ich weiß nicht.«
Er gab ihr die Tasse zurück und dankte ihr, bevor er sich seinen Weg durch Windeln, Zahnpasta, Seife, Konserven und die Stapel mit Toilettenpapier zurück zur Tür bahnte. Die Information über die Hebamme steckte er ein. Er würde sie vom Auto aus anrufen und fragen, ob sie bereit war, ihm ein paar Fragen zu beantworten. Michelle hatte seine Sorge um Maria verschärft, aber für die junge Mutter war er nun mal nicht zuständig, nur für den Säugling.
Ungefähr zehn Minuten später bat die Hebamme ihn in den Wintergarten an der Vorderseite des Hauses, oder vielleicht war es auch die Veranda, die in ein Sonnenstudio verwandelt worden war. »Was möchten Sie denn über Marias kleinen Sohn wissen?«
Sie gingen die Dinge durch, die er schon erfahren hatte. Mrs. Sommers wusste nichts von einer Lippenspalte. Das Neugeborene hatte regelmäßig geatmet, als sie ankam.
»Haben Sie vorgeschlagen, dass Maria mit dem Säugling ins Krankenhaus geht, um auf Nummer sicher zu gehen?«
Mrs. Sommers schüttelte den Kopf. »Das Mädchen hat sich strikt geweigert. Kein Krankenhaus. Kein médico .«
»Und keine Geburtsurkunde?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Maria hat ihm keinen Namen gegeben.«
»Dieses Baby ist amerikanischer Staatsbürger. Es hat einen Anspruch auf Unterstützung. Und der Kleine ist ihre Eintrittskarte, um in den Vereinigten Staaten bleiben zu können. Warum sollte sie seine Geburt geheim halten?«
Sie verschränkte die Arme. »Vielleicht will sie ja gar nicht hierbleiben.«
Kapitel 7
Rese folgte dem schmatzenden Geräusch und dem Geruch von frischem Putz zu dem Gerüst, das Brad in dem dreigeschossigen Reihenhaus in San Francisco aufgestellt hatte. Obwohl es ein feuchter und nebliger Tag war, bildete der Schweiß einen Rand am Kragen des verwaschenen schwarzen T-Shirts. Entschlossen stellte sie das Modell auf der Planke des Gerüsts zu seinen Füßen ab.
Er steckte die Kelle in den hellblauen Wandputz und blickte auf. »Was ist das?«
»So funktioniert es.«
»Ich bin gerade beschäftigt, Rese. Das siehst du doch.«
»Schau es dir nur kurz an.«
»Das mache ich später. Der Putz darf auf keinen Fall austrocknen.«
Unwillig schob sie das Modell zur Seite. »Wir müssen aber heute Nachmittag das Angebot abgeben und bis dahin sollten wir uns entschieden haben, was wir machen wollen.«
»Stimmt.«
Sie stellte das Modell auf die Werkbank in der Mitte des Raumes. »Hast du noch was von dem Zeug angerührt?«
»Übernimm du hier, dann mische ich die Menge für die letzte Wand.«
Schweigend arbeiteten sie und verteilten den Putz auf der Wand, um
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