Das Echo des Bösen: Soul Seeker 2 - Roman (German Edition)
sich ein Rabe gemächlich auf einem Ast niederlässt und sitzen bleibt, während ihm eine sanfte Brise die Federn zaust.
Rabe.
Wind.
Es ist so offensichtlich, dass ich mich frage, warum ich nicht längst darauf gekommen bin.
Rabe ist mein Geisttier. Wind mein Leitelement. Es ist kein Zufall, dass sich diese scheinbar so unverfängliche Szene vor meinen Augen abspielt.
Es gibt keinen Zufall. Nie und nimmer. Dies ist schlicht und einfach ein Angebot.
Wenn ich eines gelernt habe, dann dass das Leben voller Synchronizitäten ist und es überall Omen und Zeichen gibt, die wir gern ignorieren. Bis wir uns so daran gewöhnt haben, die unzähligen Wunder um uns herum zu leugnen, dass wir sie nicht einmal mehr erkennen, wenn sie sich direkt vor unseren Augen abspielen.
Doch nicht dieses Mal. Dies ist genau die Gelegenheit, auf die ich die ganze Zeit gewartet habe.
Ich vergewissere mich, dass die Tür fest geschlossen ist, da es mir gerade noch gefehlt hätte, dass Paloma hereinkommt und mich reglos auf dem Fußboden liegend vorfindet, während meine Seele neben der eines Raben auf Reisen ist. Dann wende ich mich dem windzerzausten Vogel zu und konzentriere mich mit aller Kraft auf ihn. Ganz ähnlich wie beim ersten Mal, als ich mich mit der Kakerlake verschmolzen habe und Cade durch das Portal gefolgt bin, verschmelze ich nun meine Energie mit seiner, bis unsere Seelen eins sind und unsere Herzen im Tandem schlagen.
Sowie ich bereit bin, starten wir. Erheben uns von dem Zweig und steigen hoch in die Luft. Getragen von Schwingen, so leicht und zart wie Spinnweben, gleiten wir über eine Landschaft, die sich wie ein Band unter uns abwickelt. Es ist ein so herrliches Erlebnis, dass ich nicht verstehe, warum ich seit dem letzten Mal so viel Zeit habe verstreichen lassen.
Über Chepis Haus beschreibt Rabe einen weiten, akkuraten Bogen, dann lässt er sich direkt vor Daces Zimmer nieder. Mit dem einen Flügel streift er sachte das Fenster, was Chepi sofort mit misstrauischem Blick von ihrer Lektüre aufblicken lässt. Die Intensität ihres Blicks ist so verblüffend, so unerwartet, dass meine Energie aus dem Takt kommt und ich beinahe die Verbindung verliere.
Sie weiß nicht, dass ich es bin , sage ich mir im Bemühen, meine Panik zu dämpfen. Ich bin nur ein x-beliebiger Rabe. An denen herrscht ja nun kein Mangel.
Doch offenbar vernehme nur ich dieses Mantra. Chepis durchdringender Blick wird noch schärfer. Sie ist sich sicher, dass ich nicht einfach nur irgendein Vogel bin. Dass die Szene nicht annähernd so harmlos ist, wie sie scheint.
Der Rabe wird unruhig und tänzelt umher. Er ist es leid, den Wirt zu spielen, und gibt sich die größte Mühe, mich abzuschütteln, indem er von einem Bein aufs andere hüpft, ein leises, kehliges Krächzen ausstößt und mit seinen Schwanzfedern fest gegen die Fensterscheibe schlägt. Das Theater veranlasst Chepi, die Stirn zu runzeln, und Dace, aus dem Schlaf hochzuschrecken und augenblicklich zu mir herzusehen. Intuitiv spürt er meine Anwesenheit und nickt mir unauffällig zu, bevor er etwas zu Chepi sagt, was ich nicht verstehe. Doch es genügt, um sie ihr Buch ablegen und aus dem Zimmer gehen zu lassen, während Dace aus dem Bett geschossen kommt.
Mit wenigen Schritten durchquert er den Raum, schiebt das Fenster hoch und streckt mir eine Hand entgegen. Obwohl der Urinstinkt des Raben ihn zur Flucht drängt, kann ich ihn überreden, näher heranzugehen, bis er den Kopf gegen seine einladenden Finger stupst. Kaum kann ich an mich halten, als Dace die Lippen auf den Kopf des Raben herabsenkt. Sein Kuss ist so berauschend, dass er mir durch und durch geht.
»Ich wusste, dass du kommen würdest«, flüstert er. »Ich wusste, du würdest einen Weg finden. Trotzdem muss ich sagen, das ist genial. Wenn ich nur auch darauf gekommen wäre. Dann hätte ich dich besucht.«
Obwohl Raben für ihre verblüffenden stimmlichen Fertigkeiten bekannt sind, weigert sich dieser spezielle Rabe zu kooperieren, weigert sich, die Worte zu sprechen, die zu äußern ich ihn dränge. Nach zahlreichen gescheiterten Versuchen beschließe ich, es mit einem Blick zu vermitteln. In der Hoffnung, dass meine Dankbarkeit, meine Bewunderung und meine Liebe irgendwie durch die kleinen Knopfaugen des Raben hindurchstrahlen.
Dace fährt mit einem Finger den Rücken des Raben entlang. »Kein Grund zur Sorge«, wispert er. »Mir geht’s von Tag zu Tag besser.« Er streichelt weiter die glänzenden Federn und
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