Das Echo Labyrinth 03 - Die Füchse von Mahagon
»Aber ich fürchte, niemand fragt nach meiner Meinung.«
»Das verstehe ich. Mich fragt auch niemand«, meinte Sir Manga lächelnd. Dann wandte er sich an seinen Sohn. »Vergiss bitte nicht, unseren anderen Gast mitzunehmen.«
»Wo ist er eigentlich?«, fragte Melifaro.
»In seinem Schlafzimmer. Ich glaube, er erholt sich noch. Deshalb ist es hier so ruhig.«
Es war keine leichte Aufgabe, Rulen Bagdasys zu wecken und ihm zu erklären, dass wir gleich losfahren würden. Der arme Melifaro brauchte über eine Stunde dafür und musste den Mann aus Isamon schließlich beinahe zum Frühstück herunterzerren.
»Wir dürfen einen Spross aus königlicher Familie doch nicht so lange warten lassen.«
Der arme Melifaro wies flüsternd mit dem Kopf auf mich. Erst sah ich ihn ratlos an, dann begriff ich, wovon er sprach.
»Was redest du denn da? Du bist verrückt - das sag ich doch die ganze Zeit. In Isamon stehen Aristokraten nicht vor Sonnenuntergang auf. Und ohne Frühstück reisen sie schon gar nicht«, rief Rulen Bagdasys widerspenstig.
Sir Manga erhob sich wortlos und trat auf die Veranda. Seine Frau war schon vorgegangen, als sie die ersten empörten Schreie aus dem Korridor hatte dringen hören. Ich folgte dem Hausherrn.
»Sir Manga«, flüsterte ich. »Ich brauche eine klare Antwort. Was sollen wir mit diesem Naturwunder machen? Sollen wir ihn Antschifa unversehrt zurückbringen oder ihn per Schiff nach Isamon schicken?«
»Macht, was ihr wollt, aber macht schnell. Allerdings vermute ich, dass in Isamon niemand auf ihn wartet. Und auch Antschifa hat seinen exotischen Begleiter längst satt. Dieser Mensch ist wirklich eine traurige Gestalt.«
»Wie man's nimmt«, meinte ich achselzuckend. »Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft, Sir Manga. Nächstes Mal werde ich mich im Esszimmer bestimmt mehr ins Zeug legen.«
»Es gibt ein schönes Sprichwort, Max. In Tulan sagt man: Ein guter Gast verlässt rechtzeitig das Haus. Dieses Tulan ist wirklich ein netter Ort - eine meiner Lieblingsstädte.«
»Und was halten Sie von Isamon?«, fragte ich amüsiert.
»Das ist schrecklichste Provinz, zutiefst langweilig. Das einzig Unterhaltsame ist die Kleidung der Bewohner.«
»O ja«, sagte ich kichernd. »Was das anlangt, haben die Leute dort tatsächlich ein Händchen.«
»Wir sollten jetzt wirklich losfahren«, sagte ich.
Ich übertrieb etwas, denn bis Sonnenuntergang waren es noch fünf Stunden, und hätte ich mich richtig anstrengen wollen, hätte ich die Strecke in fünfzehn Minuten geschafft. Die Nacht im Schlafzimmer von Sir Philo Melifaro hatte mir enorm viel Kraft gegeben, die ich einfach einsetzen musste, um nicht in die Luft zu gehen.
»Alles klar?«, fragte Melifaro den Mann aus Isamon, der mit hängendem Kopf über seinem Teller saß. »Geh nach oben und pack deine Sachen. Wenn du in einer halben Stunde nicht fertig bist, kannst du zu Fuß nach Echo reisen.«
»Was? Sprich lauter! Ich versteh dich nicht!«
Langsam verlor ich die Hoffnung, dass wir mit Rulen Bagdasys noch Erfolg haben würden. Ich seufzte vernehmlich und schaufelte mir noch eine Portion auf den Teller. Zu essen ist immerhin eine angenehme Beschäftigung.
Zwei Stunden später kam der verschlafene Antschifa ins Esszimmer.
»Ich wollte spazieren gehen«, meinte er gereizt, »und der verrückte Rulen wollte partout nicht mitkommen.«
»Du kannst doch mit Bachba losgehen«, meinte Melifaro kichernd. »Aber ich hab noch einen besseren Vorschlag: Komm mich einfach mal in Echo besuchen.«
»Was soll ich dort? Durch den Stadtteil Rendezvous laufen und nach meinem Bruder rufen?«
»Na ja, spazieren gehen und schreien ist ja nicht alles, was man dort tun kann«, meinte Melifaro trocken. »Aber wie du willst. Wenn du es dir anders überlegst: Mein Haus steht dir zur Verfügung.«
»Vielleicht überlege ich es mir wirklich noch. Im Moment bin ich leider schlaftrunken. Im Übrigen kannst du den Leuten aus Arwaroch schöne Grüße ausrichten und sie fragen, ob sie sich an unser letztes Treffen erinnern. Oder frag sie besser nichts. Sonst löst du noch einen diplomatischen Konflikt aus.«
Schließlich erschien Rulen Bagdasys. Er trug eine festliche weiße Hose zu seiner üblichen Jacke und den bekannten Schuhen, dazu aber noch eine Pelzmütze. Mitten im Sommer! Er war offenbar sehr zufrieden mit seiner Montur und stolz auf sich, denn er trug die riesige Nase sehr hoch. Seine Augen glänzten, und sein Mund stand halb offen, was ihn nicht eben
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