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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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sechzehn zu interessieren.« Er gab Terry Feuer. »Außerdem bin ich ein verantwortungsloser Mensch. Zum Beispiel sollte ich dir überhaupt nicht erlauben zu rauchen.«
    »Ach, vergiß es doch. Billy hat nie so’n Geschiß gemacht. Der hat mich einfach aufgenommen wie seinen verlorenen Sohn. Ich verlang’ ja gar nicht, daß du mich adoptierst, und wahrscheinlich bin ich in zwei Monaten sowieso wieder weg. Ich will nur noch’ne kleine Weile bleiben, damit ich lesen lernen kann und weil ich Mrs. D. wiedersehen möchte. Wir leben doch in’nem freien Land, und wenn du sonst keinen Quatsch machst, außer daß du einem Obdachlosen ein Bett gibst, wieso sollten sich dann die Leute vom Jugendamt einmischen?«
    »Weil sie dafür bezahlt werden«, antwortete Deacon zynisch. »Was glaubst du wohl, was mich das kostet, einen Riesenkerl wie dich wochenlang durchzufüttern und mit Kleidung, Bier und Zigaretten zu versorgen?«
    »Ich kann ja betteln gehen. Da kommt wieder was rein.«
    »Kommt nicht in Frage. Ich will weder einen Bettler in meiner Wohnung haben noch einen Analphabeten. Du brauchst dringend eine ordentliche Schulbildung.« Sag’s nicht, Deacon… »Du wirst mich in den Bankrott treiben, wahrscheinlich ins Gefängnis bringen, und dann machst du dich aus dem Staub, und ich frag’ mich, was, zum Teufel, eigentlich über mich gekommen ist.«
    »So bin ich nicht. Billy hab’ ich auch nicht im Stich gelassen. Und den zu mögen war viel schwerer, als dich zu mögen.«
    Deacon sah ihn an. »Wenn du auch nur eine einzige Dummheit machst und mich beim Jugendamt oder der Polizei in Schwierigkeiten bringst, wirst du dein blaues Wunder erleben, sobald ich aus dem Gefängnis raus bin. Abgemacht?« Er bot dem Jungen die Hand.
    Terry schlug aufgeregt ein. »Abgemacht. So, kann ich jetzt Mrs. D. anrufen und ihr fröhliche Weihnachten wünschen?« Er griff schon zum Telefon. »Was hat sie für’ne Nummer?«
    Deacon sagte sie ihm. »Du magst sie, nicht wahr?« fragte er neugierig.
    »Sie ist’ne ältere Ausgabe von dir«, antwortete Terry sachlich, »und ich hab’ noch nie zwei Leute getroffen, die mich von Anfang an mit Respekt behandelt haben. Sogar der alte Hugh war ganz okay, vielleicht seid ihr also alle gar nicht so schlimm, wie ihr tut. Hast du dir das mal überlegt?«

18
    Was Terry verschwiegen hatte, war, daß er Billy vor seinem Tod sehr wohl noch einmal wiedergesehen hatte. Es war früher Morgen gewesen, und der Junge hatte auf dem Streifen Brachland hinter der Lagerhalle gesessen und auf den Fluß hinausgestarrt. Über dem Wasser hatte noch der Morgendunst gelegen, der sich mit den ersten wärmenden Sonnenstrahlen langsam aufzulösen begann. Nach seinen Worten war er total deprimiert gewesen.
    »Es war irgendwie nicht dasselbe, wenn der alte Billy nicht da war. Okay, die meiste Zeit ist er einem auf den Geist gegangen, aber ich hatte mich an ihn gewöhnt. Verstehst du, was ich mein’? Lawrence hat’s ziemlich richtig gesehen. Es war so, als wär”n Vater da - das heißt’n Großvater. Na, jedenfalls, irgendwann hab’ ich mich umgedreht, und da hockte der Mistkerl direkt neben mir. Ich bin total erschrocken, weil ich ihn gar nicht gehört hatte. Ein Wunder, daß ich keinen Herzinfarkt gekriegt hab’.« Er hielt gedankenverloren inne. »Ehrlich gesagt, ich hab’ gedacht, er wär’n Gespenst«, fuhr er dann fort. »Er hat so schlimm wie noch nie ausgesehen - schneeweiß im Gesicht, und seine Lippen haben ausgesehen, als wär’ überhaupt kein Blut drin.« Er schüttelte sich, als er daran dachte. »Ich hab’ ihn gefragt, was er getrieben hat, und er hat gesagt ›gesühnt‹.«
    Deacon wartete. »Hat er sonst noch was gesagt?« fragte er, als Terry nicht weitersprach.
    »Ja, aber es hat keinen Sinn ergeben. Er hat gesagt, ›die ungesühnte Sünde ist der unsichtbare Wurm‹.«
    Nachdenklich strich Deacon sich das Kinn, während er in seinem Gedächtnis nach Assoziationen zu dem Bild suchte. »Blake hat ein Gedicht geschrieben, das Die kranke Rose heißt«, sagte er schließlich. »Es handelt von einer schönen Rose, die langsam stirbt, weil ein unsichtbarer Wurm an ihr frißt.« Er starrte durch die Windschutzscheibe hinaus. »Man kann dieses Bild interpretieren, wie man will, aber Billy sah in dem Wurm offenbar die ungesühnte Sünde.« Er hielt wieder inne. »Er kann nicht von seiner eigenen Sühne gesprochen haben, weil er sich für seine Sünden folterte«, sagte er langsam. »Es bleibt nur Amanda.

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