Das Echo
was Sie suchen, Michael - eine neue Identität?«
Er fuhr sich über sein stoppeliges Kinn. »Es hat auf jeden Fall was Verlockendes. Haben Sie nie daran gedacht, alle Brücken hinter sich abzubrechen und ganz neu anzufangen?«
»Aber natürlich. Jeder von uns hat seine Midlife-crisis. Wenn nicht, wären wir nicht normal.«
Deacon lachte. »Ehrlich gesagt, Lawrence, ich hätt’s lieber gehört, wenn Sie gesagt hätten, daß ich etwas Besonderes bin. Das Letzte, was ein Mensch mit unerfüllten Ambitionen hören möchte, ist, daß er normal ist. Ich hab’ mein Leben vertan, und das macht mich wahnsinnig.«
»Weihnachten halte ich mir möglichst vom Leibe«, sagte Deacon und zündete sich eine frische Zigarette an. »Ich setz’ mich lieber hin und arbeite, anstatt mir vorzumachen, ich hätte Spaß.«
»Und wie halten Sie es sich vom Leibe?«
Deacon zuckte die Achseln. »Ich ignoriere es einfach. Ich zieh’ den Kopf ein, bis es vorbei ist und der Normalzustand wiederhergestellt ist. Ich habe keine Kinder. Es wäre vielleicht anders, wenn ich Kinder hätte.«
»Ja, wir leiden, wenn wir niemanden haben, den wir lieben können.«
»Ich dachte, es wäre andersherum«, sagte er, während er zusah, wie einer der Männer ein Stück Holz aus dem Schlick zog. Keine Frau hatte ihn je so festgehalten, wie der Schlick dieses Stück Holz hielt. »Wir leiden, wenn niemand uns liebt.«
»Vielleicht haben Sie recht.«
»Ich weiß, daß ich recht habe. Ich hab’ zwei Ehefrauen gehabt und mir die Lunge aus dem Leib gevögelt, um meiner Liebe zu ihnen Ausdruck zu geben. Es war nichts als Zeitverschwendung.«
Lawrence lächelte. »Mein lieber Junge«, murmelte er. »Soviel Vögeln ganz umsonst. Wie schrecklich anstrengend für Sie.«
Deacon lachte. »Es hatte offensichtlich einen Sinn, wenn es Sie amüsiert.«
»Und was war der Sinn dieser Ehen, Michael?«
»Was soll das heißen, was war der Sinn? Ich habe diese Frauen geliebt, oder ich glaube es jedenfalls.«
»Ich liebe meine Katzen, aber ich habe nicht die Absicht, eine von ihnen zu heiraten.«
»Was ist dann überhaupt der Sinn der Ehe?«
»Ist das nicht die Frage, die Sie sich beantworten müssen, ehe Sie es wieder versuchen?«
»Na hören Sie mal«, sagte Deacon. »Ich hab’ nicht die Absicht, mich ein drittes Mal kastrieren zu lassen.«
»Sie reden wie eine beleidigte Leberwurst, Michael.«
»Clara - sie war meine zweite Frau - hat ständig behauptet, ich befände mich im männlichen Klimakterium. Sie sagte, das einzige, was mich interessiere, sei Sex.«
»Aber natürlich. Kinder zu wollen, ist kein weibliches Vorrecht. Ich wünsche mir heute noch Kinder und ich bin dreiundachtzig Jahre alt. Warum hat Gott mir Spermien gegeben, wenn ich mir keine Kinder wünschen soll? Schauen Sie sich Abraham an. Der war ein Greis, als er Isaac zeugte.«
Deacon lachte. »Jetzt hören Sie sich aber an wie eine beleidigte Leberwurst, Lawrence.«
»Nein, Michael, ich beschwere mich. Aber alte Männer dürfen sich beschweren, weil es ganz egal ist, wie positiv ihre geistige Einstellung ist, sie müssen trotzdem erst mal eine Frau unter vierzig dazu kriegen, mit ihnen zu schlafen. Und das ist nicht so einfach, wie es klingt. Ich weiß es, weil ich’s versucht habe.«
»Ich kann nicht behaupten, es wäre was anderes als Lust gewesen. Clara war - ist - eine schöne Frau.«
»Kann ich verstehen. Ich mußte vor einem halben Jahr meinen Kater kastrieren lassen, weil die Nachbarn sich dauernd über seine unersättliche Gier nach ihren hübschen kleinen Miezen beschwert haben.«
»So schlimm war ich auch wieder nicht, Lawrence.«
»Mein Kater auch nicht, Michael. Er hat nur das getan, wozu Gott ihn geschaffen hatte, und die Tatsache, daß er die Hübschen bevorzugt hat, zeigt nur seinen guten Geschmack.«
»Ich glaube nicht, daß ich je zu Clara gesagt habe, ich wolle Kinder haben. Zu Julia hab’ ich ein- oder zweimal was gesagt, aber sie meinte immer, das hätte noch viel Zeit.«
»Hatte es auch, bis Sie sie wegen Clara verließen.«
»Ich dachte, Sie wollten mir helfen, mich deswegen weniger schuldig zu fühlen. Habe ich es denn nicht aus Verzweiflung getan, um den Stamm der Deacons zu erhalten?«
»Für Ineffizienz gibt es keine Entschuldigung, Michael. Wenn Sie wirklich Kinder wollen, dann müssen Sie sich eine Frau suchen, die sie auch will.«
»Und was mach’ ich jetzt?« fragte Deacon mit ironischer Belustigung. »Single-Bars? Ehevermittlungen? Oder
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