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Das Echo

Titel: Das Echo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minette Walters
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vielleicht eine Heiratsanzeige?«
    »Ich glaube, es war der große Vorsitzende Mao, der einmal gesagt hat: ›Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt.‹ Warum wollen Sie sich diesen ersten Schritt so schwer machen?«
    »Ich verstehe nicht?«
    »Sie brauchen ein bißchen Übung, ehe Sie sich wieder ins Wasser stürzen. Sie haben vergessen, wie einfach die Liebe ist. Lernen Sie das erst mal wieder.«
    »Und wie mach’ ich das?«
    »Wie ich schon sagte, ich liebe meine Katzen, aber ich habe nicht die Absicht, sie zu heiraten.«
    »Wollen Sie mir sagen, ich soll mir ein Haustier anschaffen?«
    »Ich sage Ihnen gar nichts, Michael. Sie sind intelligent genug, um sich das selbst zu überlegen.« Lawrence zog eine Karte aus der Innentasche seines Mantels. »Das ist meine Telefonnummer. Sie können mich jederzeit anrufen. Ich bin fast immer da.«
    »Sie werden das vielleicht noch bereuen. Woher wissen Sie, daß ich Sie nicht beim Wort nehme und mit endlosen Anrufen an den Rand des Wahnsinns treibe?«
    Der alte Mann zwinkerte wieder, mit echter Zuneigung, wie es Deacon schien. »Ich hoffe, genau das werden Sie tun. Es kommt dieser Tage so selten vor, daß ich mich mal gebraucht fühle.«
    »Sie sind der abgebrühteste Schwindler, der mir je begegnet ist.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »›Ach, es kommt ja dieser Tage so selten vor, daß ich mich gebraucht fühle!‹« zitierte er. »Wetten, das sagen Sie zu sämtlichen Verirrten und Verlorenen, die Sie von der Straße auflesen. Nur mal interessehalber: Wird jeder emotional erpreßt, oder genieße ich da ein besonderes Privileg?«
    Der alte Mann lachte glucksend. »Nur die, die meine Hoffnung wecken. Man kann ja nur die Hungrigen füttern, Michael.«
    Die Worte lösten bei Deacon unversehens Erinnerungen aus. Bilder des ausgezehrten Billy Blake trieben an die Oberfläche. Er tastete nach seiner Brieftasche und nahm einen Abzug des Polizeifotos von Billy heraus. »Haben Sie je mit diesem Mann gesprochen? Er war ein Obdachloser, der ungefähr anderthalb Kilometer von hier in einer alten Lagerhalle hauste und vor sechs Monaten in dieser Villenanlage hinter uns an Hunger gestorben ist. Er nannte sich Billy Blake, aber ich glaube nicht, daß das sein wahrer Name war. Ich muß herausfinden, wer er wirklich war.«
    Lawrence betrachtete die Fotografie ein paar Sekunden lang, dann schüttelte er bedauernd den Kopf. »Tut mir leid. Ich würde mich bestimmt an ihn erinnern, wenn ich mal mit ihm gesprochen hätte. Er hat ein Gesicht, das man nicht leicht vergißt.«
    »Ja.«
    »Ich erinnere mich an die Geschichte. Sie hat hier ein oder zwei Tage lang für ziemlichen Wirbel gesorgt. Warum ist er Ihnen so wichtig?«
    »Die Frau, in deren Garage er gestorben ist, hat mich gebeten herauszufinden, wer er war«, antwortete Deacon.
    »Mrs. Powell.«
    »Ja.«
    »Ich habe sie ab und zu mal gesehen. Sie fährt einen schwarzen BMW.«
    »Ja, das ist sie.«
    »Mögen Sie sie, Michael?«
    Deacon dachte darüber nach. »Das weiß ich noch nicht. Sie ist eine komplizierte Person.« Er zuckte die Achseln. »Es ist eine lange Geschichte.«
    »Dann heben Sie sie sich für Ihren Anruf auf.«
    »Der wird vielleicht nie kommen, Lawrence. Meine Ehefrauen könnten Ihnen sagen, daß ich nicht gerade der Zuverlässigste bin.«
    »Nur ein kleiner Anruf, Michael. Ist das zuviel verlangt?«
    »Aber es geht ja nicht nur um einen kleinen Anruf«, brummte er. »Sie haben’s auf die Seelen der Menschen abgesehen, und glauben Sie ja nicht, ich wüßte das nicht.«
    Lawrence warf einen Blick auf die Rückseite der Fotografie. »Darf ich das Bild behalten? Ich kenne ziemlich viele Obdachlose, vielleicht erkennt ihn einer.«
    »Natürlich.« Deacon stand auf. »Aber das heißt nicht, daß ich Sie anrufen werde, machen Sie sich keine Hoffnungen. Das Ganze wird mir morgen sehr peinlich sein.« Er schüttelte dem alten Mann die Hand. »Schalom, Lawrence, und vielen Dank. Gehen Sie nach Hause, ehe Sie erfrieren.«
    »Werde ich tun. Schalom, mein Freund.«
    Er sah Deacon nach, als dieser über das Gras davonging, dann nahm er, vor sich hin lächelnd, sein Adreßbuch heraus und trug sorgfältig Deacons Namen sowie Adresse und Telefonnummer des Street ein, die Barry Grover gewissenhaft auf die Rückseite des Fotos gestempelt hatte. Obwohl er nicht erwartete, daß er sie brauchen würde. Lawrence’ Glaube an Gottes unerforschliche Wege war bedingungslos, und er wußte, es war nur eine Frage der Zeit, bevor Michael ihn anrufen

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