Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das egoistische Gen

Titel: Das egoistische Gen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
Vom Netzwerk:
Prämienwerten – die der Simulation zugrunde gelegten Annahmen waren natürlich völlig willkürlich – wird jeweils einer der beiden stabilen Zustände eine größere „Attraktionszone“ besitzen und mit größerer Wahrscheinlichkeit eintreten. Man beachte übrigens, daß eine Population von Betrügern zwar möglicherweise mit größerer Wahrscheinlichkeit ausstirbt als eine Population von Nachtragenden, daß dies aber keineswegs ihren Status als ESS beeinträchtigt. Wenn eine Population bei einer ESS anlangt, die sie dem Untergang weiht, dann geht sie eben unter, da ist nichts zu machen. 4
    Es ist recht amüsant, eine Computersimulation zu verfolgen, die von einer starken Mehrheit von Betrogenen, einer gerade oberhalb der kritischen Grenze liegenden Minderheit von Nachtragenden und einer ungefähr gleich großen Minderheit von Betrügern ausgeht. Zunächst kommt es zu einem dramatischen Einbruch in der Population der Betrogenen, und zwar als Folge der rücksichtslosen Ausbeutung durch die Betrüger. Die Betrüger erfreuen sich eines stürmischen Bevölkerungswachstums und erreichen ihren Höhepunkt gerade in dem Moment, in dem der letzte Betrogene stirbt.
    Aber die Betrüger haben noch mit den Nachtragenden zu rechnen. Während des steilen Niedergangs der Betrogenen hat die Zahl der Nachtragenden unter dem Angriff der sich prächtig entwickelnden Betrüger langsam abgenommen, aber sie sind gerade noch in der Lage, ihre Stellung zu behaupten. Nachdem der letzte Betrogene dahingegangen ist und die Betrüger mit ihrer egoistischen Ausbeutung nicht mehr so leicht ungestraft davonkommen, beginnen die Nachtragenden langsam auf Kosten der Betrüger zuzunehmen. Ihr Bevölkerungsanstieg gewinnt beständig an Schwung. Er wird immer steiler; die Betrügerbevölkerung stürzt fast bis zur Ausrottung ab und fängt sich dann, weil sie die Vorzüge der Seltenheit genießt, die vor allem darin bestehen, daß der einzelne Betrüger vom Zorn der Nachtragenden relativ frei ist. Langsam und unerbittlich jedoch gehen die Betrüger dem Untergang entgegen, und die Nachtragenden bleiben als alleinige Sieger zurück. Paradoxerweise bedeutet die Anwesenheit der Betrogenen tatsächlich zu Beginn der Entwicklung eine Gefahr für die Nachtragenden, da sie für den vorübergehenden Aufschwung der Betrüger verantwortlich sind.
    Nebenbei gesagt ist mein hypothetisches Beispiel von den Gefahren des Nichtgesäubertwerdens recht glaubhaft. Isoliert gehaltene Mäuse neigen dazu, unangenehme Entzündungen an den Stellen des Kopfes zu entwickeln, die sie nicht erreichen können. Bei einer Untersuchung zeigte sich, daß Mäuse, die in Gruppen gehalten wurden, nicht auf diese Weise litten, da sie sich gegenseitig die Köpfe leckten. Es wäre interessant, die Theorie des Altruismus auf Gegenseitigkeit experimentell zu testen, und es sieht so aus, als seien Mäuse die geeigneten Objekte dafür.
    Trivers behandelt die bemerkenswerte Symbiose der Putzerfische. Von etwa 50 Arten, zu denen kleine Fische und Garnelen gehören, weiß man, daß sie sich von Parasiten ernähren, die sie vom Körper größerer Fische anderer Arten ablesen. Die großen Fische profitieren offensichtlich von der Säuberungsaktion, und die „Putzer“ bekommen eine gute Mahlzeit. Die Beziehung ist symbiotischer Natur. In vielen Fällen öffnen die großen Fische ihr Maul und lassen die Putzer geradewegs hineinschwimmen, wo sie ihnen in den Zähnen herumstochern, um dann durch die Kiemen wieder hinauszuschwimmen, die sie ebenfalls saubermachen. Man könnte erwarten, daß ein großer Fisch so listig ist, daß er abwartet, bis er gründlich gesäubert worden ist, und dann den Putzer verschlingt. Doch statt dessen läßt er gewöhnlich den Putzer ungeschoren davonschwimmen. Das ist ein Meisterstück augenscheinlicher Selbstlosigkeit, denn in vielen Fällen ist der Putzer genauso groß wie die übliche Beute des Fisches.
    Putzerfische haben besondere Streifenmuster und führen spezielle Tänze auf, die sie als Putzer erkenntlich machen. Die großen Fische sehen gewöhnlich davon ab, kleine Fische zu verzehren, die die richtige Art von Streifen besitzen und sich ihnen mit der richtigen Art von Tanz nähern. Vielmehr verharren sie in einem tranceähnlichen Zustand und gestatten dem Putzer freien Zugang zu ihrem Äußeren und Inneren. Wie die egoistischen Gene nun einmal sind, ist es nicht weiter verwunderlich, daß rücksichtslose, ausbeuterische Betrüger sich dies zunutze gemacht

Weitere Kostenlose Bücher