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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Gebüsch wieder auf den Weg jagen mußte, der eine sanfte Böschung hinaufführte und von geleerten Konservenbüchsen, Flaschen, Papierschnitzeln, alten Zeitungen und sogar Möbelfragmenten übersät war. Am Ende des Pflasters erhob sich ein Haus, dem Zustand des Weges ebenbürtig. Aus den Fenstern hingen verblichene Lumpen, vor den Türen standen Flaschen und zerbrochenes Zeug. Wie Lava sich aus dem Krater ergießt, so ergoß sich hier Abfall aus allen Fugen. »Ich hoffe, Sie stoßen sich nicht daran, daß ich meine Hausarbeit stehen und liegen ließ, um mit den Kindern den schönen Tag im Freien auszunützen.« Sie schienen sich fünf Jahre im Freien aufgehalten zu haben, dem Zustand der Wohnung nach zu schließen, wo die erwähnte »Hausarbeit« schon längere Zeit nicht mehr erledigt worden war. Im Ausguß türmten sich schmutzige Teller, Schüsseln, Tassen, Flaschen und Krüge, und nur an dem tropfenden Hahn konnte man noch erkennen, daß sich unter dem Geschirrberg ein Ausguß befinden mußte. Die Ofentür hatte sich von den rostigen Angeln gelöst, und Stühle, Tische, ein altersschwaches Feldbett, Kommoden und was sonst noch an wackligem Gerümpel in der Küche stand, verschwand unter Bergen alter Zeitungen und Magazine. Mrs. Weatherby beförderte mit gut gezieltem Tritt ein paar leere Konservenbüchsen unter einem Stuhl fort zum Ausguß hinüber, fegte von zwei Sitzen die Zeitungen zu Boden und forderte uns auf, Platz zu nehmen. »Es ist schon eine Ewigkeit her, daß ich richtige Gäste hatte«, sagte sie kichernd, »höchstens Leute aus der Gegend waren mal da. Das muß gefeiert werden.« Sie kramte in dem Durcheinander unter dem Ausguß herum und richtete sich mit einer Flasche in Händen wieder auf. »Es ist nur Chianti, aber ’s ist doch Wein«, sagte sie lachend. Bei der Suche nach der Flasche mußte sie wohl mit etwas Feuchtem in Berührung gekommen sein, denn die Spitzen des einen Haarbüschels waren ganz naß. Sie holte mehrere staubige Becher von einem der Wandbretter und füllte sie. Die kleinen Idioten bekamen jeder ein paar Schluck Wein mit Wasser verdünnt. »Die französischen Kinder bekommen auch Wein«, erklärte Mrs. Weatherby, »also warum sollen Mary Elizabeth, Pamela Lorraine, John Frederick und der kleine Charles Lawrence nicht welchen bekommen, trotzdem sie keine Franzosen sind?« Und auch keine Kinder, fügte ich in Gedanken hinzu. Es war schaurig anzusehen, wie die armen Würmer mit den Bechern hantierten. Doch es sollte noch viel schlimmer kommen. Während Bob und ich verlegen die Becher zwischen den Fingern drehten und uns Mühe gaben, wenigstens dergleichen zu tun als tränken wir, befreite Mrs. Weatherby einen weiteren Stuhl von dem auf ihm liegenden Zeug, schleifte ihn zum Eckschrank, stellte sich darauf und begann, im obersten Fach des Schrankes herumzuwühlen. Ich benützte die Gelegenheit, Bob einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. Er saß da wie jemand, der gerade einen Hieb mit dem Gummiknüppel über den Kopf bekommen hat. »Ach, da ist’s ja!« frohlockte Mrs. Weatherby von ihrem erhöhten Standpunkt aus, kletterte vom Stuhl herunter und kam mit einem schmuddligen Etwas in ihren noch schmuddligeren Händen zum Tisch zurück. Sie begann, das undefinierbare graue Ding aus seiner Hülle zu schälen. »Ich habe ihn letztes Jahr (sie sprach Jahr wie Jah aus) selbst gemacht, und dann hat sich nie ’ne Gelegenheit ergeben, ihn aufzutischen, das ist jetzt ’n reines Glück, denn je länger Fruchtkuchen liegt, desto besser schmeckt er.« Sie war mit dem Auspacken fertig, und die Hülle entpuppte sich – ich dachte zuerst, das ist nicht möglich, das gibt es einfach nicht, aber es gab’s doch – als schmutzige lange Unterhosen! Der Kuchen war klein und sehr dunkel, und ich betete, er möge zu klein sein, um für alle zu reichen, aber Mrs. Weatherby wußte, was sie ihren Gästen schuldig war, und legte zuerst Bob und mir je ein Stück vor, bevor sie jedem Sprößling eine schmale Scheibe gab. Und dann bediente sich unsere Wirtin selbst. Sich mit dem Ellbogen auf den Rand des Ausgusses stützend, in einer Hand das Weinglas, in der anderen eine Scheibe Kuchen, erzählte sie von den »komischen Leuten« hierzulande. »Als ich herzog, war ich entsetzt über die Unwissenheit und den gräßlichen Mangel an Kultur bei den Leuten, und ich sagte Mr. Weatherby, ich weiß nicht, wie das werden soll und wie ich den Winter ohne Konzerte, ohne Thehater und Tahanz überleben werde.« Sie rieb

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