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Das Ei und ich

Das Ei und ich

Titel: Das Ei und ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty McDonald
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Küken zu jungen Hennen geworden, die ins Berufsleben traten und Eier zu legen begannen. Ohne mich um meine Meinung zu fragen, traf Bob eine engere Auswahl unter dem älteren Bestand und beschloß einstimmig und unter sträflicher Mißachtung jeglicher Opposition, daß ich die des Legens müde gewordenen Hennen einmachen sollte. Mein vom vielen Einmachen überhitztes Hirn kam auf den absurden Gedanken, Bob verbringe seine Tage damit, Dinge zu suchen, die ich in Gläsern verewigen könnte, und ich hatte das Gefühl, daß er jede Minute als unwiederbringlich verloren bedauerte, die ich nicht mit dem Sterilisierapparat beschäftigt war. Ich spielte mit dem Gedanken an Gattenmord, wechselte dann zu Selbstmord und rettete mich endlich in tränenreiche Resignation.
    Als er die ersten drei Hennen mit einem liebevoll hinweisenden Blick auf den Küchentisch legte, bemerkte ich eisig, daß nicht nur der Sterilisierapparat unter Druck arbeite. Ich erhielt keine Antwort.
    Wegen dieser Bemerkung behauptete er später, ich hätte es absichtlich gemacht. Aber das ist nicht wahr, ich schwöre es. Der Sterilisierapparat ging von allein kaputt. Es war der glücklichste Tag meines Daseins, obwohl er mich um ein Haar das Leben gekostet hätte. Ein Sperrhaken wurde mit voller Wucht in die Küchentür gejagt, an den Wänden klebte eine Auswahl von Keulen, Bruststücken und Hühnerklein, der Boden schwamm in Fleischsaft, und der dicke Aluminiumdeckel flog an die Decke, brach entzwei und hinterließ genau über Herd zwei halbmondförmige Narben. Ich war nicht mehr zu bändigen in meiner Freude. Warum, weshalb und wieso das glückliche Unglück geschehen war, kümmerte mich nicht. Ich war frei. Frei! Frei! Nach dem Essen schlenderte ich, fröhlich vor mich hinsummend, durchs Haus und entfernte von Fensterrahmen und Spiegelscheiben Hühnerteilchen. Bobs Blick verfolgte mich nachdenklich, und dann holte er den Katalog von Sears-Roebuck hervor und suchte einen größeren, solideren und schneller arbeitenden Sterilisierapparat aus.

Dieses herrliche Land
    Tante Vida nahm noch einen Schluck Kaffee und rollte ihn im Mund herum, als sei er ein Desinfektionsmittel, das in alle Ecken dringen müsse, bevor sie sagte: »Ach, ihr habt’s gut! Ihr habt das Problem des wahren Glücks und des inneren Friedens gelöst! Ihr könnt zufrieden sein. Es gibt Tausende von Menschen in dieser traurigen Welt, deren einzige Hoffnung ist, daß sie eines Tages durch harte Arbeit und schwere Opfer erreichen, was ihr, Bob und du, schon habt.« Das war um neun Uhr vormittags, und Bob und ich waren seit vier Uhr früh auf den Beinen und am Abend vorher erst nach Mitternacht ins Bett gekommen. Tante Vida hingegen genehmigte sich eben mit gutem Appetit ihr Frühstück. Die Bemerkung über die Tausenden, die hofften, durch harte Arbeit und schwere Opfer das zu erreichen, was wir schon hatten, war es, die mich so aufregte. Wie verbrachten wir wohl nach Tante Vidas Meinung unsere sechzehn- bis achtzehnstündigen Tage? Damit, blumengeschmückt im Garten zu tanzen und neckische Lieder zu singen? Ich war ermüdet und am Ende meiner Kraft, sonst hätte mich alles, was Tante Vida an Weisheiten verzapfte, kalt gelassen. Tante Vida ging uns schrecklich auf die Nerven, aber sie hatte den unschätzbaren Vorzug, für die Natur im allgemeinen und für »dieses herrliche Land« im besonderen zu schwärmen, was sie veranlaßte, Stunden draußen im Freien zuzubringen, sooft sie uns besuchte. Die Begeisterung schlug so hohe Wogen, daß ich Bob von Zeit zu Zeit auf die Suche nach Tante Vida schickte und ihm auftrug, sie zwecks Abkühlung ins Haus zu bringen, weil ich befürchtete, sie könne in der Gluthitze ihrer Bewunderung schmelzen und im Erdboden versickern. Nun gurgelte Tante Vida mit einem neuen Schluck Kaffee und verbreitete sich dann über unsere reinen Herzen, aufrichtigen Gemüter, den lieben Gott, der auf uns niederschaute, und den unser harrenden Frieden, als zum Glück Bob die sinnige Plauderei unterbrach und mich zu den Hühnern hinausrief.
    Tante Vidas Stärke lag nicht im Geiste, das mußte man ihr zugute halten, aber unsere übrigen Gäste konnten sich nicht auf ihre Einfalt berufen. Es waren Bobs nächste Angehörige und meine nächsten Angehörigen und noch allerhand andere nette Leute, die alle den gleichen Wahn hatten. »Herrliche Gegend, wunderbare Berge, Essen in Hülle und Fülle, ach, was seid ihr für glückliche Menschen!« riefen sie, wenn sie vom Tisch aufstanden

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