Das Ei und ich
Mahlzeiten, er genoß den herrlichen Whisky, er hörte des Nachts die Kojoten heulen, er fühlte die majestätische Nähe der Berge, er war nicht blind für die Erhabenheit der unendlichen Wälder, doch er empfand auch, wie einsam man als Mensch inmitten dieser gewaltigen Natur war. Er bewunderte die Schönheit des Sonnenaufgangs, half mir jedoch beim Feuermachen. Er fand das Quellwasser gut und erfrischend, aber er trug es mir zum Haus. Er zeigte viel Interesse für unsere Eier-Buchhaltung und anerkannte Bobs Tüchtigkeit, aber er erklärte: »Was mir bei den Hennen nicht gefällt, ist ihre Gleichgültigkeit. Man kann sein Herzblut vergießen, und alles, was man von ihnen zum Dank erntet, ist Gackern und Schreien. Pferde kann man reiten, Katzen streicheln und Hunde verwöhnen, aber Hühner kann ilian nur braten und essen.« Und mir aus dem Herzen sprach er, als er sagte: »Ein wundervoller Fleck Erde, um auszuspannen, aber eine Hölle, wenn man das ganze Jahr hier leben muß.«
Bobs Schwester war anderer Meinung: »Diese Landschaft, Jerry, diese Berge, das wundervolle Essen und die paradiesische Ruhe! Es ist doch wie ein Traum.«
»Na, ich weiß nicht, wir beide verzichteten gern auf großartige Diners und begnügten uns mit einem Sandwich vom Kiosk an der Grand Central Station, was, Betty?« Jerry bestand auch darauf, sich meine Malversuche anzusehen, und behauptete, meine Aquarelle verrieten Talent und ich sollte weitermachen. Ich war bereit, Jerry für dieses Lob mein Leben zu opfern, doch da das wenig Sinn gehabt hätte, zerbrach ich mir fieberhaft den Kopf nach einem ähnlich eindrücklichen, aber praktischeren Beweis meiner Wertschätzung.
Bob hatte meine Malleidenschaft als etwas gesehen, was sich mit einer periodisch wiederkehrenden Krankheit wie Malaria vergleichen ließ. Nun warf ich ihm einen triumphierenden Blick zu und erwartete, ihn bei Jerrys fachmännischem Urteil vor Reue zerknirscht zu finden. Doch er hörte nicht einmal zu. Er las im Hühnerzüchter einen Artikel über Fadenwürmer.
Wir verbrachten eine herrliche Zeit mit Bobs Schwester und seinem Schwager und leisteten uns sogar einen Tag den Luxus, einen gemeinsamen Ausflug zu unternehmen. Farm und Baby wurden Mrs. Hicks anvertraut, und dann fuhren wir los. Es wurde ein wundervoller Tag; wir statteten der Discovery-Bay einen Besuch ab, der Bay, die ihren Namen 1792 von Captain Vancouver erhalten hat, als er wegen einer Schiffsreparatur in den Schutz der Küstengewässer einfuhr. Zum Abschied benannte er die Bucht nach seinem Schiff Discovery, und die kleine vorgelagerte Insel, die die Bucht vor den Stürmen schützt, erhielt den Namen Protection Island.
Wir besichtigten auch noch ein großes, verlassenes Herrenhaus im viktorianischen Stil, das sich auf einem Felsen über der Bucht erhob und Aussicht bis Crows Nest bot. Dem Vernehmen nach hatte ein Holzkönig vergangener Zeiten sich mit seiner jungen südamerikanischen Braut auf den Felsen zurückgezogen, doch nach zwei Monaten Einsamkeit wurde es der Südamerikanerin zu dumm, sie erklärte, die schöne Aussicht und das große Haus könnten ihr gestohlen bleiben, und lief, so schnell sie ihre kleinen Füße trugen, wieder in ihre südamerikanische Heimat zurück, was ich ihr nicht übelnehmen kann. Der Holzkönig zeigte weniger Verständnis. Er verschloß und verriegelte das prachtvolle Haus und ward nicht mehr gesehen.
Das Haupthaus, eine vornehme alte Dame aus den Zeiten der Königin Victoria, war mit vielen Erkerchen und Balkönchen verziert, doch die eingefallenen Türen und scheibenlosen Fenster ließen es wie eine verwitterte, zahllose Alte erscheinen.
Es war fast finster, als wir uns das Haus von innen ansahen. Die Bretter knarrten unter den Füßen, Stufen waren lose, von den Wänden bröckelte bei jeder Berührung Mörtel ab, Fledermäuse schossen aus verstaubten Schlupfwinkeln auf, und mir liefen Kälteschauer über den Rücken. Da brach Bob den geheimnisvollen Zauber und kam polternd und türenschmeißend herbeigetrampelt. Im Ballsaal des Erdgeschosses befand sich an einer Querwand noch eine alte Bühne, und ich sah in Gedanken hier feurige Musiker in südamerikanischen Trachten feurige Weisen für die heimwehkranke südamerikanische Braut spielen, als mein Blick auf Bob fiel, und obwohl er kein Wort sagte, hätte ich darauf schwören können, daß er in Gedanken berechnete, wieviel Hühnerhäuser und Brutkästen sich im Saal unterbringen ließen. Doch dann bestand er darauf,
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