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Das einsame Haus

Das einsame Haus

Titel: Das einsame Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Borell
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hatte sie recht. Sie hat meistens recht, als künftiger Ehemann darf man das nur nicht ständig zugeben.
    »Eben ist unten auf der Straße ein Mann mit einem Hund gegangen«, sagte ich. »Das hat mich auf eine Idee gebracht. Giacomo ist doch fort, man hat ihn mir aus dem Wagen geholt. Man? Jemand, der den Hund fürchtete. Der Hund hätte ihn erkannt, zu ungelegener Zeit. Der Hund kannte ihn, sonst hätte er sich nicht aus meinem Wagen herausholen lassen. Der Hund gehörte der Hilbinger. Er muß auch den Jemand gekannt haben, der die Hilbinger kannte. Wenn ich weiß, wer den Hund geholt hat, oder wo Giacomo jetzt ist, habe ich vielleicht den Mörder.«
    »Anna van Straaten natürlich«, sagte sie.
    Wenn eine Frau eine feste Meinung von etwas hat, kann ein Vulkan neben ihr ausbrechen, ein Erdbeben stattfinden oder ein Ausverkauf: Sie wird immer bei ihrer Meinung bleiben.
    »Du warst doch bei ihr in der Fabrik. Natürlich hat sie Zeit gehabt — während du einen Plausch mit dem Pförtner machtest —, den Hund aus deinem Wagen zu holen. Und wo wird sie ihn hingebracht haben?«
    Ich nahm Cornelia an der Hand.
    »Komm, wir fahren zusammen.«

    Zuerst hielten wir an dem einsamen Haus. Wir stiegen aus, gingen um das ganze Grundstück herum und riefen nach Giacomo. Aber es blieb alles still. Schließlich betraten wir den Garten, schlichen auf Zehenspitzen ums Haus, riefen den Hund und lauschten. Giacomo war nicht hier.
    Anschließend fuhren wir ins Dorf hinüber und wiederholten unser Spiel auf dem Hof der Hilbinger.
    Ein leerer Bauernhof ist etwas Unheimliches. Das Haus verschlossen, das Vieh bei den Nachbarn untergebracht, der Stall leer, keine gackernden Hühner mehr da... alles einfach tot.
    Auch hier antwortete uns kein Giacomo.
    »Irrtum«, meinte Cornelia. »Warum sollte der Mörder den Hund auch ausgerechnet hierher gebracht haben, wo jeder ihn kennt? Wir müssen das Tierasyl aufsuchen, oder vielleicht kann Wendlandt feststellen, ob jemandem ein Hund zugelaufen ist.«
    Und dann fanden wir ihn im letzten Augenblick doch noch. Hinter dem Haus, nicht weit von den Obstbäumen. Zugedeckt mit einer Handvoll Erde und welkem Laub. Lange konnte er hier noch nicht gelegen haben, und äußerlich war keine Wunde zu sehen. Ich hob seinen Kopf, der sich merkwürdig leicht bewegen ließ, dann legte ich ihn wieder hin und schob mit meinen Händen die Erde und das Laub zurück.
    »Jemand hat ihn erschlagen, Nelly, ihm das Genick gebrochen. Glaubst du, daß Anna van Straaten dazu in der Lage gewesen wäre?«
    Sie starrte noch immer totenblaß und mit zitternden Lippen auf das kleine Häufchen Erde und Laub.
    Ich führte Cornelia ein paar Schritte beiseite. Ich habe Nelly nur selten so erschüttert gesehen.
    »Kindchen, laß uns nach Hause fahren.«
    Sie hob den Blick zu mir auf, Tränen standen in ihren Augen, als sie leise sagte: »Vielleicht hältst du mich für sentimental oder verrückt — aber ein Mensch, weißt du, wenn ein Mensch einen Menschen umbringt, dann hat er wohl irgendeinen Grund dazu gehabt, es ist immer noch eine Sache von etwa gleichem Wert. Aber ein so armes Tier... dieser Mörder hat das Tier einfach totgeschlagen... ich möchte... man müßte mit ihm das gleiche tun können...«
    Nur langsam beruhigte sie sich.
    Mehr der Ordnung halber als im Glauben an einen Erfolg fragte ich in der Nachbarschaft, ob in letzter Zeit irgend etwas Auffälliges am Hof der Hilbinger gewesen sei.
    Niemand wußte etwas. Die Leute schüttelten den Kopf und wollten offenbar mit der ganzen Sache nichts zu tun haben.
    Schweigend fuhren wir in Richtung München zurück, und erst kurz vor der Stadt fragte ich Cornelia:
    »Hast du deine Meinung jetzt geändert? Ist der Mörder vielleicht doch ein Mann? Kann eine Frau einen kleinen, lieben Hund erschlagen? Könnte das Anna van Straaten getan haben?«
    Sie schüttelte nur stumm ihren Kopf.
    Als wir nach Hause kamen, hörten wir schon auf der Treppe das Telefon in meinem Zimmer läuten. Ich rannte hinein, hob ab und hörte Wendlandts Stimme.
    »Na endlich, Brenthuisen! Hab’ ich ein Schäferstündchen gestört? Wir haben den Schlosser gefunden, er hat erzählt, daß er vergangene Nacht in Ihrer Wohnung war und heute morgen auch schon. Wir haben ihm die Tote gezeigt, er behauptet steif und fest, sie sei nicht die Dame gewesen, mit der er in Ihrer Wohnung war. Schade, es hätte manches erleichtert.«
    »Ja«, sagte ich. »Vielleicht. Inzwischen haben Cornelia und ich ein neues Opfer des

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