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Das elektronische Glück

Titel: Das elektronische Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dieverse Autoren
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plötzlich klar geworden ist, daß sie mich liebt, daß sie nicht eine Stunde, ja nicht eine Sekunde mehr ohne mich sein kann, nicht ahnend, daß ich hier in der Nähe bin, daß ich jetzt immer in ihrer Nähe sein werde. Ich höre ihre Absätze über die Fliesen klappern, sehe einen vagen Schatten auftauchen, sich in dem erleuchteten Prisma aufspalten und zwei, drei, vier Swetlanas zu mir eilen, laufen, fliegen. Dann öffnen sich die Kristallwände vor ihr, und ich mache einen Schritt auf sie zu…
     Wüßte ich doch, was uns bevorsteht!

    Man fand Viktor am Morgen auf dem Fußboden des Laboratoriums. Den gehörnten Helm auf dem Kopf festgeschnallt, lag er neben der eingeschalteten Anlage, und sein Gesicht war kreidebleich.
     Die Unfallursache war rasch festgestellt. Es war weder Selbstmord, wie ich vorschnell geschlußfolgert hatte, noch Fahrlässigkeit während des Experiments. Es hatte zufällig eine Panne gegeben, die unmöglich vorauszusehen und zu verhindern gewesen war.
     »Ja, er ist wieder bei Bewußtsein«, sagte mir der Arzt, als ich am nächsten Vormittag ins Krankenhaus kam, »aber er wird von Stunde zu Stunde schwächer. Vielleicht hat die lange Einwirkung des Feldes bei ihm zu einem schweren psychischen Trauma geführt. Er hat nicht mehr den Willen, um sein Leben zu kämpfen, und das ist das schlimmste. Da sind war machtlos. Natürlich tun wir, was in unseren Kräften steht, aber Spritzen und Medikamente helfen hier nicht viel. Nur noch ein, zwei Tage, und es ist zu Ende.«
     Da wird mir weh ums Herz, und ich tue mir selber schrecklich leid, weil mir klar wird, daß Viktors Rettung allein von mir abhängt. Ich gehe auf den Korridor hinaus und lasse mich in einen Sessel fallen. Den Kopf in die Hände gestützt, sitze ich lange und horche in mich hinein, wo sich im Herzen eine betäubende Leere ausbreitet. Ich muß an Swetlanas Hände denken, wie sie über den schillernden steinernen Feuern hin und her huschen, an die Musik der Schlegel in dem riesigen Saal, an ihr Lächeln, die ein wenig erstaunten Augen und die schon halbvergessene Weichheit ihrer Lippen – an all das muß ich denken, worauf es heute zu verzichten gilt, und das tut sehr, sehr weh. Erst später merke ich, daß Fedossejew neben mir sitzt.
     »Pjotr Iwanowitsch, wie schön, daß Sie hier sind!« sage ich fast schreiend, aus Angst, meine Entschlossenheit könnte mich wieder verlassen. »Ich weiß, wie Viktor zu retten ist!«
     Hastig und unzusammenhängend erzähle ich ihm alles: von Swetlana und mir sowie von dem in meiner Tasche steckenden Apparat. Ich wisse, um die siebenundzwanzigtausend Marken auf die Lochkarte zu übertragen, müsse man mindestens vierundzwanzig Stunden pausenlos arbeiten, aber ich hätte alle Emogramme Viktors bei mir im Labor, und die Jungens würden mir helfen; deshalb müsse man unverzüglich, ohne noch eine Minute zu verlieren, Swetlana herbeirufen und sie um ihre Zustimmung zu dem Experiment bitten, das Viktor retten werde…
     Hier verstumme ich, weil Pjotr Iwanowitsch mich irgend wie merkwürdig ansieht und sich in seinen Augen Betroffenheit malt.
     »Sie glauben mir nicht?« frage ich erregt und lange in die Tasche, um den Apparat hervorzuholen. »So begreifen Sie doch, das ist die einzige Chance für Viktor!«
     Doch Fedossejew gebietet mir Einhalt.
     »Sie ist schon hier«, sagt er und dreht mich zur Tür. »Ich habe ihr ein Telegramm geschickt.«
     Da stockt mir für einen Augenblick der Herzschlag, denn am Ende des Korridors sehe ich durch die weit aufgestoßene Tür die vertraute schlanke Gestalt auf uns zu eilen, rennen, fliegen. So nahe läuft sie an mir vorüber, daß der Luftzug ihrer Arme mein Gesicht streift, und ein Blick genügt mir, um zu begreifen, weshalb Fedossejew mich so merkwürdig angesehen hat. Sie reißt die Tür zu dem Krankenzimmer auf, in dem Viktor liegt. Für einen Augenblick kann ich sein markantes Profil auf dem blendendweißen Kopfkissen sehen, und blitzartig fällt mir das andere, steinerne Profil auf dem Fußboden der Werkstatt ein, das mir so bekannt vorgekommen war. Mit sanftem Seufzer schließt sich die Tür wieder, und ich stehe, seitlich an die Wand gelehnt, und suche mit Fingern, die mir nicht gehorchen wollen, in der Tasche nach einer Zigarette.
     »Deine Hände sind wie der Wind«, rezitiere ich laut, doch die Zeilen entgleiten mir, und ich kann mich des Schlusses einfach nicht mehr erinnern. »Deine Hände sind wie der Wind«, murmele ich wie

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