Das Ende der Geschichten (German Edition)
seltsame Spuren, elefantöse Haufen stinkender Scheiße und alles, was sonst noch dazu gehört. Die Leute wollen ‹etwas› herumschleichen gesehen haben, das sehr viel größer war als eine Katze oder ein Hund, und ein Anwohner hat sogar einen schwarzen Fleck fotografiert, der ein bisschen aussieht wie das Ungeheuer von Loch Ness, nur eben auf einem Acker. Sie vermuten wohl, dass es ein Puma oder ein Wolf sein muss, den sich irgendwer als Haustier angeschafft hat und jetzt damit überfordert ist. Eine Frau hat erzählt, letzte Nacht sei ihr ganzes eingelagertes Hundefutter aus dem Gartenschuppen verschwunden; als sie aufstand, lagen nur noch leere Tüten im Garten herum. Sie meinte, sie hätte etwa hundert Pfund dafür bezahlt. Stell dir das mal vor – so viel für Hundefutter auszugeben.»
Als ich Libbys Laden wieder verließ, hatte sich Dunkelheit über die Stadt gelegt, und alles glänzte vom Widerschein der Autolichter und der schwach flackernden Straßenlaternen. Es schien eine dieser Nächte werden zu wollen, in denen man einsam durch die Straßen streift, den Fernsehern anderer Leute lauscht und sich wünscht, selbst irgendwo drinnen im Warmen zu sein. Langsam überquerte ich den Marktplatz und wünschte mir genau das Gegenteil. Als ich am Brown’s Hill war, fiel mir plötzlich ein, dass ich, wenn ich mit jedem Schritt die Hälfte der verbleibenden Strecke bis zu unserer Haustür zurücklegte, womöglich niemals zu Hause ankommen würde. War es möglich, ein Paradoxon nachzustellen, so wie Rowan und Vi das mit historischen Ereignissen machten? Oder war es nicht vielmehr so, dass alle Menschen ohnehin ständig Paradoxa und historische Ereignisse nachstellten?
***
Am Donnerstagmorgen klingelte das Telefon. Es war Tim Small.
«Entschuldige, dass ich dich zu Hause störe», sagte er. «Bist du gerade sehr beschäftigt?»
War ich sehr beschäftigt? Demnächst musste ich Christopher seine Schmerztabletten geben, weil er sie mit der linken Hand nicht aus der Packung bekam. Er war zwar heute wieder auf den Beinen, doch das bedeutete nur, dass er meine ungeteilte Aufmerksamkeit für sich beanspruchte. Er würde etwas zum Mittagessen brauchen und einen neuen hypoallergenen Verband, den ich zunächst kaufen und ihm dann anlegen musste. Außerdem musste er ständig getröstet werden, weil es so wehtat und er von den Schmerztabletten, die natürlich von einem herzlosen Großkonzern nach einer irgendwelchen Ureinwohnerstämmen entwendeten Rezeptur produziert wurden, unerträgliche Nebenwirkungen bekam, unter anderem Schwindelgefühle und leichte Halluzinationen. Ich hatte ihm versprochen, in dem Buch über Radikal-Heilung nachzuschlagen, wie sich das alles beheben ließ, und dann am Nachmittag nach Totnes zu fahren, um dort die vorgeschlagenen alternativen Heilmittel sowie den Verband zu erstehen. Damit recherchierte ich weiter für meinen Artikel und kümmerte mich gleichzeitig um Christopher. Ich hatte keine Ahnung, wie lange das noch so weitergehen würde. Der Arzt hatte von sechs Wochen gesprochen, aber sicherlich musste es Christopher doch auch schon vorher wieder besser gehen?
Die ganze Situation erinnerte mich an einen Krankenhauswitz, den ich Josh am Dienstagabend eigentlich hätte erzählen können. Eine Frau wird ins Zimmer des Chefarzts bestellt. Er sagt zu ihr: «Ihr Mann hat eine sehr seltene und äußerst ernste Krankheit. Wenn Sie nicht alles für ihn tun – für ihn kochen, putzen, ihn waschen, ihm den Hintern abwischen und so weiter –, dann wird er sterben. Wenn Sie es aber schaffen, das für ihn zu tun, wird er sich in etwa einem Jahr wieder erholt haben. Doch bis dahin müssen Sie buchstäblich alles für ihn tun.» Die Frau kehrt zu ihrem Mann zurück. «Was hat der Arzt denn gesagt?», will er wissen. «Tut mir leid, Schatz», antwortet sie. «Es gibt keine Hoffnung mehr.» Dabei gab es doch Menschen, die sich auf diese Weise um andere kümmerten, manchmal sogar über Jahre hinweg. Was lief nur falsch bei mir, dass ich das nicht einmal ein, zwei Tage durchhielt? Ich musste ständig an Rowan denken und an seinen Vorschlag, sich zum Mittagessen zu treffen; ich hatte ihm immer noch nicht geantwortet. Es war ja auch nicht abzusehen, wann ich das nächste Mal lange genug für ein Mittagessen aus dem Haus kommen würde.
«Nein», sagte ich nun zu Tim. «Eigentlich nicht. Ich nehme an, du hast es schon in den Nachrichten gesehen.»
«Ja», sagte er. «Und das macht mir große Sorgen.»
Damit
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