Das Ende der Geschichten (German Edition)
meinen Zeltausflug vorverlegt.»
«Ehrlich? Das ist aber ganz schön mutig von dir. Wann willst du denn aufbrechen?»
«So bald wie möglich. Ich muss das nur noch mit Heidi abklären und ein paar Aufträge verschieben. Aber mein Zelt habe ich schon. Ich werde ein Lagerfeuer machen und abwarten, bis die Bestie auftaucht. Einen guten Fotoapparat nehme ich auch mit.»
Aussprechen konnte ich das natürlich nicht, doch im Stillen dachte ich mir, dass Tim im Grunde das Vorhaben verwerfen sollte, dieses Buch für Orb Books zu schreiben, um stattdessen den Helden wieder in einen nicht mehr ganz jungen, betrogenen Ehemann zu verwandeln und einen richtigen Roman daraus zu machen. Bei der Vorstellung, dass er diesen ganzen Aufwand für einen Zeb-Ross-Roman betrieb, fühlte ich mich richtiggehend schuldig, dass ich ihm das überhaupt vorgeschlagen hatte.
Hinter mir ertönte ein schweres Plumpsen, und ich drehte mich um. Christopher war vom Sofa gefallen.
«Danke», sagte Tim. «Du warst mir wirklich eine große Hilfe.»
«Na, dann viel Glück», wünschte ich ihm. «Sag Bescheid, bevor du aufbrichst.»
«Dann kannst du für mich beten.»
«O ja.»
Ich legte auf und ging zum Sofa hinüber. Christopher lag noch genau so auf dem Boden, wie er hingefallen war. Eine Sekunde lang glaubte ich, er wäre tot.
«Christopher?»
«Wer war denn das?», fragte er.
«Ein Autor von Orb Books», antwortete ich. «Was machst du denn da unten? Was ist passiert?»
«Worüber habt ihr geredet? Ich habe was von Bestien gehört. Ich dachte schon, ich habe wieder Halluzinationen.»
«Es ging nur um die Arbeit. Mach dir keine Gedanken darüber.»
«Aber du hast gelacht.»
«Manchmal kann Arbeit eben auch lustig sein.» Ich seufzte.
«Ach, Babe, mir ist so schwindelig», klagte Christopher. «Wo bin ich?»
«Auf dem Fußboden, wie’s aussieht. Bist du vom Sofa gefallen?»
«Ich weiß es nicht mehr. Das ist alles ein großer Nebel.»
«Na komm, du solltest besser mal aufstehen. Möchtest du eine Decke?»
«Ja, bitte.»
«Und einen Tee?»
«Ja. Meg?»
«Was denn?»
«Lass mich bitte nicht allein. Irgendwie wackelt die ganze Welt.»
Es gelang mir, eine Decke für Christopher zu finden, die nicht komplett voller Hundehaare war, und ihn dann mit einer Tasse Tee und der Fernbedienung wieder auf das Sofa zu verfrachten. Ich versuchte, das Telefon dazu zu bewegen, erneut zu klingeln. Doch es schwieg. Die nächsten zwei Stunden verbrachte ich am Küchentisch mit der Lektüre von Radikal-Heilung , während Christopher sich mit hoher Lautstärke eine Dokumentation über die Zivilisation der Azteken und anschließend eine über Stonehenge ansah, die er mit Sicherheit beide schon kannte. Schwaches Vorfrühlingssonnenlicht strich über die Tischplatte, und B. vertrieb sich die Zeit damit, die Treppe hinaufzulaufen, einen Tennisball nach unten zu werfen, ihn dann selbst zu apportieren und wieder nach oben zu tragen. Zumindest schloss ich das aus dem, was ich sah und hörte: erst das relativ gleichmäßige Plonk-plonk-plonk , mit dem der Ball die Stufen hinabhüpfte und gleich darauf, schon ganz kahl ohne seinen gelben Stoffbezug, durch den Flur kullerte. Anschließend hörte ich B. im Mini-Schweinsgalopp die Treppe hinunterflitzen, sah sie wie einen schwarzen Blitz an der Küchentür vorbeischießen, den Ball aufsammeln und sich umdrehen. Gleich darauf konnte ich hören, wie sie, jetzt langsamer und mit dem Ball im Maul, wieder nach oben tapste. Eine unbestimmte Zeit blieb sie oben an der Treppe liegen und kaute auf dem Ball herum, dann fing das Spiel wieder von vorne an. Christopher starrte erst genervt zu ihr und dann zu mir herüber und stellte schließlich einfach den Fernseher lauter. Als er das nächste Mal wütend zu mir schaute, bekam ich einen Hustenanfall und musste drei Gläser Wasser trinken, bevor ich überhaupt fähig war, nach oben zu gehen und meinen Inhalator zu holen.
Radikal-Heilung war ein ganz anderes Buch, als ich erwartet hatte, und ich konnte mir kaum erklären, wie es zwischen die ganzen esoterischen Ratgeber in Oscars Regal geraten war. Christopher würde es ganz bestimmt auch nicht helfen. Es handelte sich um eine Anthologie mit Texten über den Placebo-Effekt und die Art und Weise, wie der Geist den Körper steuern konnte, und hätte eigentlich besser in eine populärwissenschaftliche oder medizinhistorische Abteilung gepasst. Unter den ersten Texten befand sich auch ein Auszug aus dem Hexenhammer , einem
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