Das Ende der Geschichten (German Edition)
Leben jetzt selbst in die Hand nimmst. Ich würde auch gern alles hinschmeißen und wieder atmen können. Und dann bist du ganz nebenbei auch noch aus Dartmouth weggekommen.»
«Hasst du Dartmouth wirklich so sehr?»
«Ja. Ich habe ewig gebraucht, mir das einzugestehen, und eigentlich hasse ich es, Dinge zu hassen, wenn du verstehst, was ich meine. Aber es ist nun mal so. Natürlich ist es schön dort, wunderschön sogar. Wenn man zum ersten Mal über den Fluss kommt und die vielen kleinen Häuser in ihren Pastellfarben sieht – das ist atemberaubend. Als würden dort noch echte Fischer wohnen und außerdem lauter Künstler und Intellektuelle. Man sollte doch meinen, dass es interessante Leute anzieht, mit all dem Wasser und dem alten Gemäuer und der ganzen historischen Substanz. Wir sind ja schließlich auch dorthin gezogen.»
«Ich bin, ehrlich gesagt, nur dorthin gezogen, weil ich keine andere Wahl hatte», sagte ich. «Christopher kannte jemanden, der uns das Haus dort billig vermietet hat.»
«Ich sprach jetzt nur von Lise und mir. Aber es war natürlich Lises Idee, weil sie Familie in Kingswear hat. Ich hätte mich nicht dafür entschieden. Es gibt ja nicht einmal ein Kino. Die Buchhandlung ist einigermaßen in Ordnung, aber diese ganze Atmosphäre … Wenn man zum ersten Mal hinkommt und dann auch noch die Fähre über den Fluss nimmt, sieht man das Naval College zumindest nicht, und wenn man Glück hat, liegen auch gerade keine Kriegsschiffe im Hafen. Dann ist es wunderhübsch. Früher haben wir häufig Urlaub in Dartmouth gemacht, aber seit wir dort wohnen, ist mir klar geworden, wie sehr ich es eigentlich hasse. Darum verbringe ich auch einen Großteil meiner Zeit in Torquay, vor allem im Moment. Das ist einfach realer.»
«Wer kann schon wissen, was real ist?», sagte ich. «Aber immerhin hat man in Torquay das Gefühl, mit echter Dramatik und echten Problemen konfrontiert zu sein. In Dartmouth müssen sie das alles anscheinend simulieren, indem sie ständig mit ihren Kriegsfliegern gefährliche Manöver über dem Fluss vollführen, als hätten sie noch nie etwas von einer fossilen Energiekrise gehört.»
«Und wenn sie gerade mal nicht damit beschäftigt sind, malen sie sich die Gesichter schwarz und führen sogenannte traditionelle Minstrel-Shows auf. Lise und ich waren mal bei so etwas und haben uns fürchterlich gestritten, weil ich gleich wieder gehen wollte. Sie war aber entschlossen, aus Höflichkeit zu bleiben, weil Leute im Publikum saßen, die sie noch aus der Schule kannte, und außerdem noch ein paar aus Saschas Clique.»
Unser Kaffee wurde gebracht.
«Lise hat es einfach nicht begriffen», fuhr Rowan fort. «Ich war so wütend, dass ich gar nicht mehr wusste, was ich noch sagen sollte. Da bin ich einfach gegangen. Ich bin aus der Stadt raus und immer weitergefahren, bis ich an einem Landgasthof in Tuckenhay vorbeikam. Dort habe ich mir ein Zimmer mit Blick auf den Bow Creek genommen, den ich sowieso für den allerbesten Teil des Dart halte, weil er sich vom Hauptfluss getrennt hat. Morgens bin ich allein aufgewacht und habe einen Silberreiher beobachtet, der im Uferschlamm nach seinem Frühstück stocherte. Für mich war das der friedlichste Morgen seit Jahren, weil ich nicht mit Lise zusammen und nicht in Dartmouth war. Mein Neffe und meine Nichte haben dieses Feinkostgeschäft, sie kommen in Dartmouth also ganz gut zurecht, wobei mir scheint, dass Bob auch langsam die Nase voll hat und eigentlich gern nach London ziehen würde. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass Conrad das besonders toll findet. Armer Junge – durch seine liebenden Eltern sitzt er im Grunde hier fest. Und dann ist da ja noch Libby mit ihrer … Wie hast du das ausgedrückt? Ihrer ‹hochdramatischen Liebesaffäre›.»
«Ich glaube, das ist jetzt weitgehend vorbei», sagte ich.
«Da kann sie einem ja leidtun. Oder etwa nicht?»
«Sie können einem alle leidtun.»
«Oh.»
«In Dartmouth hat praktisch jeder Affären», sagte ich. «Zumindest jeder, der es dort nicht gut aushält. Das ist wenigstens eine Beschäftigung.» Dann fiel mir wieder ein, dass wir ja unter anderem deshalb hier saßen, weil Lise anscheinend eine Affäre gehabt hatte. «Entschuldige. Das war jetzt nicht sehr taktvoll von mir, fürchte ich.»
Unsere Sandwiches kamen, und wir knabberten ein Weilchen lustlos daran herum. Rowan warf erneut einen Blick über die Schulter und sah mich dann wieder an.
«In der Nacht, als ich
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