Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Stelle war er klar und flach genug, um durchzuwaten. So niedriges Wasser so früh im Jahr, höchstens wadentief. Ich scannte das gegenüberliegende Ufer ab. Es war ein Hang, steil und bewachsen mit jungem Gras und wilden Kräutern, die sich bis zu einer Waldwiese mit Gelbkiefern raufzogen. Zur Oberkante des Felsengrats hin bröckelte die steinerne Kante wie eine verfallene Ruine mit Mauern und Türmen.
    Das perfekte Versteck. Für die. Im Ernst, der perfekte Ort, um etwas zu Ende zu bringen. Von hier oben würde man niemals ahnen, dass der Fluss in so einem tiefen, breiten Loch endete, zu so einer Wiese führte. Niemand würde einen Grund sehen, dem Wasserlauf ab hier zu folgen. Der Weg war zu mühsam, und die alte Straße, der Feldweg, auf dem ich gelandet war, führte viel schneller nach Norden oder Osten. Dorthin, wo man den kleinen Fluss mühelos überqueren konnte. Von hier oben konnte man das Loch nicht sehen, die Schlucht, erst wenn man direkt vorn an der Kante stand. Jede Wette, dass der Weg bis hier von Wasserfällen und Klippen übersät war? Es war perfekt. Ein Unterschlupf, wie ihn sich altmodische Banditen nur wünschen konnten.
    Wie hatten sie die Kühe da runterbekommen? Der einzige Weg führte über die Leiter. Sowas fragte ich mich.
    Warum wandte sich mein Verstand kuriosen Nebensächlichkeiten zu, sobald ich in der Klemme steckte? Bangley wäre gar nicht zufrieden mit mir. Bangley würde sagen: Duck dich. Das mit dem Hinterhalt ist naheliegend. Das Ziel, denk nochmal nach.
    Das tat ich. Ich stieg zehn Schritte die Böschung rauf, bis ich ein dickes, bodentiefes Wacholdergebüsch erreicht hatte. Ich drängte mich hinein, setzte mich und spähte durch die Blätter auf den Weg. Die Äste kratzten über mein schuppendes, brennendes Gesicht. Der Duft war schwer, betörend. Ich fühlte mich wie in einem Duftsäckchen. Warum machte sie das? Es regnete verstaubte, blaue Wacholderbeeren. Ich glaube, daraus macht man Gin. Echt?
    Und jetzt? Ich war in Sicherheit. Was hatte ich damit gewonnen?
    Ich hockte in einem Gewirr aus stacheligen Zweigen. Ich war ein Troll, der in einem Baumstamm lebte. Ich sah durch eine winzige Öffnung in Nadeln und Ästen hindurch in die Welt. Ich lebte von Regen, von Liedern und von meiner Erinnerung.
    Ich legte das Gewehr auf den Boden, schlang die Arme um meine Knie, lehnte mich an einen dicken Ast.
    Erschöpft. Bis auf die Knochen. Sich loszumachen war unglaublich mühevoll gewesen. Allein der Flug hierher war wie eine Reise in ein anderes Leben. Der Flughafen war wie ein ferner Traum. Wenn der Flughafen ein Traum war, dann war Jasper ein Traum hinter einem Traum, und das davor, das davor war ein Traum dahinter. Ineinander verschachtelt. Träume. Unsere Verluste verwandeln sich ganz sanft in blasse Geister.
    Auf die Nacht warten, genau das würde ich tun. In der Dunkelheit kann ich flussabwärts laufen. Sie beobachten. Gefahrlos die Leiter runterklettern. Ein Vorteil, wenn man so viele Nächte geangelt hat wie ein Besessener: Ich weiß, dass meine Füße im Dunkeln den Weg finden werden.
    Die Forellen konnten die kleinste Fliege an der Oberfläche erkennen, selbst in der dunkelsten Nacht. Der Himmel immer leuchtend, leuchtend in den Augen einer Forelle, und das Insekt eine Silhouette davor. Ich liebte es, im Dunkeln zu angeln. Oft war nichts zu hören als das Plätschern im stillen Gewässer, der winzige, verzögerte Schwall und dann der Zug an der Schnur. Ich habe das geliebt.
    Dunkelheit. Nichts. Der beißende Geruch warmer Nadeln. Schlaf. Okay, für ein paar Minuten. Schlaf.
    *
    Aufstehn.
    Hä?
    Aufstehn. Komm raus. Fass das Gewehr an, und du bist ein toter Mann.
    Hart und scharfkantig, hartes, scharfkantiges Ding in meinem Nacken. Ein Stock. Ja, ein Stock. Ein langer Knüppel, und am anderen Ende ein Mann mit einem Gewehr. Scheiße. Scheiße. Gut gemacht, Hig.
    Hände auf den Boden. Rückwärts. Kriech.
    Kriech. Langsam. Und jetzt hinlegen. Leg dich flach hin. Hände hinter den Kopf. Sofort!
    Knie in den Rücken gerammt. Hand unter meiner Jacke nimmt mir die Glock aus dem Halfter. Hand fährt an meinem Rücken auf und ab, an den Beinen, schnell und geübt.
    Umdrehen.
    Mit der Vorderseite dasselbe, schnelles Absuchen, und schon bin ich meine Granaten los. Sie verschwinden in den Taschen seiner Holzfällerjacke.
    Jünger als. Oder doch nicht. Schlanker. Weißes Haar. Wettergegerbte Haut wie Leder. Falten. Tiefe Falten von den Augen abwärts über die Wangen. Mimikfalten.