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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Anwärtern sehr schwer, das begehrte Prädikat zu erhalten. Anwärter müssen bereits
     mehrere Jahre im Geschäft sein und viele große Kunden haben. Doch es ist nicht leicht, namhafte Kunden zu akquirieren, solange
     man nicht in den erlauchten Kreis aufgenommen wurde. Die Behörde müsste ihre Zugangsbarrieren senken, um in dieser so wichtigen
     Branche für mehr Konkurrenz zu sorgen.
    Noch radikaler wäre es, den Ratingagenturen die halboffizielle Rolle zu entziehen, die sie derzeit genießen. In allen Richtlinien,
     von den Bestimmungen der Börsenaufsicht bis zu den Eigenkapitalvorschriften von Basel II, werden die Agenturen offiziell als
     einzige Ratinginstanz anerkannt. Damit wird ihnen unverhältnismäßig |266| viel Macht zugebilligt. Die Beschneidung dieser Macht wäre ein weiterer Weg zur Öffnung für den Wettbewerb.
    Eine umfassendere Reform wäre eine Rückkehr zum ursprünglichen Geschäftsmodell der Ratingagenturen. Demnach sollten nicht
     mehr die Ausgeber von Anleihen, sondern wieder die Investoren für die Ratings zahlen. Das ist allerdings leichter gesagt als
     getan. Da ist zunächst das »Schnorrer«-Problem: Sobald eine Investorengruppe für ein Rating gezahlt und ihre Entscheidung
     darauf gestützt hat, können andere Investoren das Rating in Erfahrung bringen und sich daran orientieren, ohne dafür zu zahlen.
    Dem ließe sich abhelfen, wenn alle institutionellen Investoren in einen gemeinsamen und von der Regulierungsbehörde verwalteten
     »Pool« einbezahlen müssten. Dazu gehören alle Akteure des Finanzsystems, auch weniger streng regulierte wie Hedge-Fonds. Aus
     diesem Pool würden die Investoren die Ratings neuer Anlagen finanzieren.
    Dadurch würde das Wirtschaftsmodell der Ratingagenturen auf den Kopf gestellt, und genau das ist das Ziel. Es ist abwegig,
     dass die Ausgeber von Anleihen für ihre eigenen Ratings bezahlen – das wäre so, als würden Studenten ihren Professor für ihre
     Noten bezahlen. Wenn mehrere Professoren zur Auswahl stehen, würden diejenigen, die nur Einser verteilen, bald beliebter sein,
     und sie würden mehr verdienen als ihre strengeren Kollegen. Doch die guten Noten wären genauso zweifelhaft wie die AAA-Ratings,
     die auf dem Höhepunkt der Immobilienblase vergeben wurden.
    Bitte verstehen Sie das nicht falsch: Die Reform der Ratingagenturen ist keine leichte Aufgabe. Sie nehmen am Finanzhimmel
     eine Sonderstellung ein. Doch ohne Reformen wie den beschriebenen lassen sich diese gegenwärtigen Interessenkonflikte kaum
     beseitigen.
    Aber angenommen, die Konflikte lassen sich aus der Welt schaffen und die Ratingagenturen bewerten Instrumente wie hypothekenbesicherte
     Wertpapiere korrekt. Dann gibt es leider immer |267| noch Papiere, mit denen sich die Ratingagenturen gar nicht befassen. Es handelt sich um die undurchsichtigen, geheimnisvollen
     und oftmals unergründlichen Instrumente, die wir als Derivate bezeichnen.
     
     
    Der Umgang mit Derivaten
     
    Im Jahr 2002 verschickte Warren Buffett einen inzwischen legendären Jahresbericht an die Investoren von Berkshire Hathaway.
     Er beklagte den zunehmenden Einsatz von Derivaten, die er unheilsschwanger als »Zeitbomben, für die beteiligten Parteien ebenso
     wie für das gesamte Wirtschaftssystem«, bezeichnete. Buffett nahm kein Blatt vor den Mund. Derivate seien »finanzielle Massenvernichtungswaffen«,
     erklärte er und warnte vor ihren Gefahren, »die heute noch latent, doch potenziell fatal« sein können. In größter Vorausahnung
     gab er zu bedenken, dass »der Geist der Derivate längst aus der Flasche entwichen ist. Diese Instrumente werden weiter an
     Vielfalt und Zahl zunehmen, bis ein Ereignis zeigt, wie explosiv sie sind.« 16
    Buffett behielt Recht, doch die Geschichte ist komplizierter. Derivate gibt es bereits seit Jahrhunderten, doch erst in jüngerer
     Zeit haben sie die Formen angenommen, die eine erhebliche Gefahr für das globale Finanzsystem darstellen. Im Grunde sind Derivate
     nichts anderes als Wetten auf den Ausgang eines künftigen Ereignisses. Das kann die Entwicklung der Zinsen, des Ölpreises,
     der Maispreise, der Wechselkurse oder einer beliebigen Anzahl anderer Variablen sein. Sie laufen unter verschiedenen Bezeichnungen,
     wie Swaps, Optionen oder Terminkontrakte, und haben jahrzehntelang einwandfrei funktioniert und Menschen die Möglichkeit gegeben,
     sich gegen Risiken abzusichern. Ursprünglich konnten sich Bauern damit vor der Ernte gegen Schwankungen der

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