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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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des Jahrzehnts sprachen
     Analysten der Wall Street gern von einem sogenannten »Greenspan-Put« und meinten damit die Überzeugung, die Notenbank werde
     als letztinstanzlicher Kreditgeber einspringen und Finanzunternehmen mit billigem Geld und zusätzlichen Krediten auffangen. 36 (Unter einem Put versteht man eine Option, die ein |84| Investor kaufen kann, um sich gegen einen drastischen Markteinbruch abzusichern.) Und der Greenspan-Put kam tatsächlich zum
     Tragen, als die Krise zuschlug: Die Notenbank sprang in die Bresche und belohnte inkompetentes und risikoreiches Verhalten
     mit großzügigen Krediten. So würden es zumindest die Vertreter des österreichischen Lagers sehen. Auf diese Weise leistete
     der Staat der nächsten, noch größeren Spekulationsblase und einer neuen, noch schlimmeren Krise Vorschub.
    Nach Ansicht der Österreicher sind viele der verbreiteten Heilmittel gegen Finanzkrisen gefährlicher als die Krankheit selbst.
     Wenn die Regierung immer neue Schulden anhäufe, um die Wirtschaft über Wasser zu halten, werde die Staatsverschuldung irgendwann
     untragbar. An diesem Punkt bleibe der Regierung nichts anderes übrig, als die Zinsen anzuheben, womit sie jede Erholung im
     Keim ersticke. Besonders kritisch sehen die Österreicher die scheinbar einfachste Lösung des Problems: Geld zu drucken und
     die Defizite zu monetisieren. Dies führe lediglich in die »Stagflation«, jener Mischung aus Inflation und schwachem Wachstum,
     wie sie die Vereinigten Staaten in den 1970er Jahren lähmte. Staatliche Eingriffe verschlimmerten eine schwierige Situation
     nur noch weiter und provozierten in Zukunft größere Spekulationsblasen, so die Österreicher, da nun alle glaubten, im Falle
     einer künftigen Krise werde der Staat schon einspringen.
    Diese Sichtweise scheint radikal und kalt. Sie ist dem Keynesianismus diametral entgegengesetzt – nicht umsonst galt Joseph
     Schumpeter zu Lebzeiten als wichtigster Gegenspieler von John Maynard Keynes. Während Keynes der Ansicht war, dass der Kapitalismus
     gelegentlich aus dem Gleichgewicht gerate (und durch staatliche Eingriffe stabilisiert werden könne), war Schumpeter der Auffassung,
     diese Instabilität sei eine notwendige Folge genau der Innovation, die den Kapitalismus überhaupt erst ermöglichte.
    Vertreter der österreichischen Sicht hegen die Befürchtung, die Vereinigten Staaten könnten nun denselben Weg einschlagen,
     den Japan in den neunziger Jahren ging: Das Land reagierte damals |85| auf seine Zeitlupenkrise, indem es Zombiebanken und -konzerne stützte, die Zinsen auf null senkte und die Wirtschaft mit billigem
     Geld überschwemmte. Die japanische Regierung häufte gewaltige Haushaltsdefizite an, um die Keynes’schen Wachstumsimpulse zu
     geben. Statt der kreativen Zerstörung freien Lauf zu lassen, bauten die Japaner Soda-Brücken, die nur eines bewirkten, nämlich
     den Staat immer weiter in Schulden zu stürzen. Das Ergebnis war das »verlorene Jahrzehnt«. 37
    Was ist dran an der österreichischen Sicht? Treue Keynesianer erklären die japanische Krise damit, dass die Regierung die
     erforderlichen Maßnahmen zu spät ergriffen habe und verweisen darauf, dass sie sich nach dem Platzen der Blase zwei Jahre
     Zeit gelassen habe, ehe sie Konjunkturprogramme einleitete. 38 Schlimmer noch, die Bank von Japan habe acht Jahre benötigt, um die Zinsen von 8 auf 0 Prozent zu senken und habe sich viel
     zu schnell wieder von dieser Politik verabschiedet. Japan habe denselben Fehler gemacht wie Roosevelt, der seine Krisenpolitik
     im Jahr 1937 beendete und damit eine neue Rezession auslöste. Japans Rezession dauerte von 1998 bis 2000. Demnach liefen die
     Vereinigten Staaten heute Gefahr, denselben Fehler zu wiederholen, wenn sie ihre Konjunkturprogramme einstellten oder den
     Zinszügel wieder anzogen, ehe die wirtschaftliche Erholung eingesetzt habe.
    Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass der österreichische Ansatz falsch liegt, wenn es um kurzfristige Maßnahmen geht. Wie
     Keynes und Minsky erkannten, kann sich eine durch Finanzexzesse verursachte Finanzkrise ohne staatliche Eingriffe zu einer
     Wirtschaftskrise auswachsen, und was als vernünftiger Rückzug aus einem riskanten Markt begann, kann in einem Kollaps enden.
     Wenn der kapitalistische Instinkt verschwindet, kann die von den Österreichern gepriesene kreative Zerstörung den Zusammenbruch
     der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage bedeuten. Gebeutelte, aber noch immer

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