Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
behaupteten die meisten Beobachter, das Problem beschränke sich auf ein kleines Segment des Finanzsystems.
Das passiert häufig, wenn Finanzkrisen Fahrt aufnehmen: Das Problem gilt als »begrenzt«, in diesem Fall auf einige verantwortungslose
Hypothekenverleiher und deren Kredite. In einer Kongressanhörung im Mai 2007 saß auch Notenbankchef Ben Bernanke diesem Irrglauben
auf. Er räumte zwar ein, dass es zahlreiche Probleme auf dem Subprimemarkt gebe, doch er beschrieb diese Schwierigkeiten als
isolierte Krankheitsfälle, nicht als den Anfang einer Epidemie. 7
Das änderte sich, nachdem die Londoner Markit Group ein Instrument mit dem Namen ABX-Index einführte, das die Belastung des
Marktes für Subprimepapiere ermittelte. Der Index maß die Preisentwicklung eines Korbs von Kreditausfallversicherungen, die
verwendet wurden, um das Risiko eines Ausfalls von mit minderwertigen Hypotheken besicherten Wertpapieren zu transferieren.
Ziel des Index, so ein Unternehmenssprecher, waren »Sichtbarkeit und Transparenz«. 8 Mithilfe des ABX ließ sich die Preisentwicklung für Versicherungen (in Form von Kreditausfallversicherungen) für die verschiedenen,
mit BBB- bis AAA- bewerteten Tranchen von MBSs und CDOs ermitteln. Kaum eingerichtet, ging der ABX-Index in freien Fall über.
Die schlechtesten Tranchen verloren rapide über 80 Prozent an Wert, und selbst die vermeintlich hochwertigen AAA-Tranchen
büßten bis Juli 2007 rund 10 Prozent ihres Wertes ein.
Angesichts dieser Entwicklung konnte es keinen Zweifel mehr geben, dass irgendetwas ganz fürchterlich schief ging. Schlimmer
noch, angesichts der ABX-Zahlen sahen sich die Angehörigen des Schattenbankwesens ihre Anlagen an und korrigierten deren Wert. |129| Forderungsbesicherte Wertpapiere erlitten enorme Verluste, die dafür sorgten, dass bei vielen Finanzunternehmen das Verhältnis
von Aktiva zu offenen Verbindlichkeiten in den Keller ging. Angesichts der schwindenden Reserven horteten traditionelle Kreditinstitute
ebenso wie Schattenbanken Bargeld, zogen die Zugbrücke hoch und weigerten sich, gegen die täglich fadenscheiniger wirkenden
Sicherheiten Geld herauszurücken.
Dies ist ein entscheidender Wendepunkt in jeder Finanzkrise. 9 Früher sprach man von »Misskredit«, einer plötzlichen Risikoscheu und einem Bedürfnis, die Schuldenpyramiden abzutragen,
von denen bis kurz davor noch die Gewinne abhingen. Neuerdings spricht man von einem »Minsky-Moment«, und dieser war im Frühjahr
2007 eindeutig erreicht.
Der Zusammenbruch
Hedge-Fonds sehen zwar nicht aus wie Banken, doch sie funktionieren ganz ähnlich. Sie nehmen kurzfristige Einlagen von privaten
und institutionellen Anlegern sowie Anleihen mit kurzen Laufzeiten, zum Beispiel Rückkaufvereinbarungen (Repos) von Investmentbanken,
auf und legen diese langfristig an. Auf diese Weise investierten beispielsweise zwei der Hedge-Fonds von Bear Stearns Milliarden
von kurzfristig geliehenen US-Dollars in nicht liquide Subprime-CDO-Tranchen.
Das Schicksal dieser beiden Hedge-Fonds war ein Vorbote dessen, was Hunderten anderer Hedge-Fonds und dem gesamten Schattenbankwesen
bevorstand. Wie die meisten Akteure in diesem System waren auch diese beiden kaum reguliert und finanzierten sich vor allem
über Fremdkapital; die riskantesten Anlagen hatten einen Fremdkapitalanteil von 95 Prozent. Als der ABX-Index die wachsende
Befürchtung des Marktes widerspiegelte, dass die Subprime-CDOs erheblich an Wert verlieren könnten, erlitten diese beiden
Hedge-Fonds gewaltige Verluste.
|130| An diesem Punkt meldeten sich die Banken, die den beiden Fonds Milliarden geliehen hatten, mit Nachschussforderungen und drohten
damit, die von diesen hinterlegten Sicherheiten – einige mit AAA bewertete CDO-Tranchen – zu verkaufen. Dies war ein entscheidender
Schritt: Bis dahin waren CDOs und andere strukturierte Finanzprodukte kaum am Markt gehandelt worden. Der ABX-Index bot lediglich
einen Näherungswert für ihren Preis, er war kein echter Preisindex. Die Manager der Hedge-Fonds wussten, dass diese Wertpapiere
niemals ihren Ausgabepreis erzielen würden. Wenn sie sie auf einen verunsicherten Markt geworfen hätten, dann würde sich schnell
herausstellen, dass das gesamte Geschäft mit den CDOs nichts anderes war als der berühmte Kaiser ohne Kleider. Also schoss
Bear Stearns Geld nach. Doch es war zwecklos: Im Sommer 2007 verlor einer der beiden Fonds 90
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